Wenn sich Markus Burteisen wochentags ins Auto setzt, um vom Kulmbacher Land nach Bamberg zur Arbeit zu fahren, geht er in Gedanken bereits seine ersten Termine durch. Es sei viel zu tun, seit die Bamberger Mälzerei 2017 expandiert hat. Zu den zwei bestehenden Standorten in Bamberg und Neuburg an der Donau sind Worms und Mülheim an der Ruhr dazugekommen. „Nun heißt es, die beiden neuen Produktionsstätten hinsichtlich Struktur und Qualität auf ein gemeinsames Level zu bringen“, erklärt der Geschäftsführer.
Die Mälzerei wurde 1888 als kleines Familienunternehmen gegründet. Über 130 Jahre später sind die Nachkommen der beiden Gründer weiterhin Gesellschafter der Firma und halten nahezu alle Anteile. Im operativen Geschäft sind die Gründerfamilien nicht involviert – weder im Management noch in Einkauf, Produktion und Vertrieb. Dafür sind Mitarbeiter wie Markus Burteisen zuständig. Er ist seit 20 Jahren für die Bamberger Mälzerei tätig. Anfangs war er für den Rohstoffeinkauf zuständig, seit 2010 teilt er sich mit Rudi Gläser die Geschäftsführung.
Während er den kaufmännischen Bereich verantwortet, kümmert sich Gläser um alle technischen, baulichen und qualitativen Aspekte. „Die Qualität unseres Produkts liegt uns besonders am Herzen“, sagt Burteisen. „Daher achten wir auf regionale Rohstoffe aus direkter Umgebung, statt als ‚Bio‘ deklariertes Getreide aus Australien oder China zu beziehen.“
Das Bamberger Einzugsgebiet für Gerste beispielsweise reicht von Nordbayern bis zu den angrenzenden Bundesländern Thüringen und Sachsen sowie Sachsen-Anhalt. „Auf regionales Getreide zu setzen, ist auch absolut sinnvoll“, so der Geschäftsführer. „Die Mälzerei wurde 1888 nicht umsonst in Bamberg gegründet.“ Die klimatischen Verhältnisse und Bodenbedingungen seien für den Anbau von Braugetreide sehr vorteilhaft. Entsprechend hoch ist die Anzahl an Brauereien, die Malz für die Bierproduktion benötigen. „Gerste oder Weizen in Malz zu verwandeln, ist relativ einfach – benötigt aber sehr viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung“, führt Burteisen fort. Insgesamt sind nur drei Hauptarbeitsschritte notwendig. „Geschmacklichen Einfluss aufs Malz und damit aufs Bier nehmen wir über die Abdarrtemperatur im dritten Schritt der Malzproduktion.“ Je höher die Temperatur beim Trocknen, desto dunkler und intensiver wird das Malz, ähnlich wie beim Kaffeerösten.
Auf diese Weise entstehen verschiedene Sorten. Zu den gängigsten gehören Pilsner Malz, die Hauptsorte für helle Biere, Wiener Malz für vollmundige, malzaromatische Biersorten und das intensive Münchner Malz für dunkle und süffige Biere. „Die Malzproduktion ist wirklich kein Hexenwerk“, bemerkt Burteisen. Seit über 5.000 Jahren werden die gleichen Herstellungsschritte angewandt, die lediglich technisch und technologisch entwickelt und automatisiert wurden. Während früher ein Vielfaches an Arbeitskraft notwendig war, verantworten heute nur noch zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Malzproduktion am Bamberger Standort. „Der Automatisierungsgrad ist zwar hoch, aber die erforderlichen ‚Zutaten‘ sind noch genauso natürlich wie vor 5.000 Jahren: Getreide, Wasser, Luft/Sauerstoff und Temperatur“, zählt Burteisen auf. Daher fühle er sich auch als Konsument wohl. „Ich weiß, was wir für unser Produkt tun, wie wir es herstellen und in welchem Maß wir seine Qualität und jeden Herstellungsschritt kontrollieren.“
Neben Tradition und Regionalität setzt die Bamberger Mälzerei auch auf nachhaltige und ressourcenschonende Produktion. „Das heißt nicht, dass wir einfach grüne Farbe über unseren Betrieb auskippen und uns für nachhaltig erklären“, bemerkt Burteisen. Der Nachhaltigkeitsgedanke gehe bis in die 1990er-Jahre zurück. Die damalige Geschäftsführung machte den ersten Schritt, um effizienter und sparsamer zu produzieren. Seitdem floss viel Geld in den energetischen Ausbau. Aber es habe sich gelohnt. „2008 und 2009 ergriffen wir eine weitere wichtige Maßnahme und errichteten ein Heizwerk, das mit regenerativen Energien betrieben wird. Seitdem heizen wir mit Waldholzhackschnitzeln und versorgen so die Mälzerei – speziell den Schritt der Malztrocknung – mit Wärme“, berichtet Burteisen.
Die Umrüstung finanzierte das Unternehmen mithilfe eines Kredits der LfA. Im Gegenzug mussten bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Den CO2- Ausstoß in der Produktion zu senken, war eine davon. „Die alte Energieversorgung mit 100 Prozent Gas weiter zu betreiben, wäre deutlich günstiger gewesen“, erklärt Burteisen.
Aber das sei nicht im Sinne der Gründerväter. Durch den Umstieg auf erneuerbare Energien für die Wärmeversorgung spart die Bamberger Mälzerei inzwischen Tausende von Tonnen CO2 im Jahr ein. Zudem ist sie deutschlandweit die einzige Mälzerei, die in dieser Größenordnung einen Teil ihres Energiebedarfs regenerativ abdeckt.
Dass das Familienunternehmen alles richtig macht, zeigen die große Kundenzufriedenheit und der internationale Erfolg. „Inzwischen liefern wir unser Malz an rund 1.000 Brauereien weltweit – von der kleinen Wirtshausbrauerei bis zu den globalen Marktführern, von Österreich bis Südkorea“, zählt Burteisen auf. Die initiale Zündung für den internationalen Export erfolgte durch den Craft-Beer-Hype in den USA. Um die Jahrtausendwende suchten viele amerikanische Brauereien nach unterschiedlichen Malzsorten, um ihr Bier geschmacklich von dem großer Braukonzerne abzuheben. Auf Hochtouren läuft das internationale Geschäft aber erst seit den Standortübernahmen in Worms und Mülheim. „Seitdem hat sich unsere Produktion von circa 100.000 auf 220.000 Tonnen Malz pro Jahr erhöht“, verrät Burteisen. Mit dieser Produktionskapazität und insgesamt rund 115 Mitarbeitern an allen vier Standorten ist die Bamberger-Mälzerei-Gruppe die drittgrößte in ganz Deutschland.
„Solange das Reinheitsgebot von 1516 gilt und Malz essenzieller Bestandteil von Bier bleibt, sind wir guter Dinge“, sagt Burteisen. Dann sei Bierbrauen mit Chemie oder genveränderten Enzymen nicht erlaubt – zumindest in Deutschland. Doch obwohl das Gesetz in Österreich und der Schweiz nicht gilt, werde auch dort die Nachfrage der Verbraucher nach „reinem“ Bier immer größer.
„Je mehr Menschen Bier nach deutschem Reinheitsgebot konsumieren möchten, desto besser für uns“, freut sich der Geschäftsführer. „Die Entwicklung geht zum Glück in unsere Richtung.“