Manchmal weiß man eben schon zu Schulzeiten, dass man zusammengehört; ohne dass es viel braucht. Stefanie Beck und Philipp Sanders sind seit der zehnten Klasse ein Paar. Sie haben sich in einem Münchner Gymnasium kennengelernt, saßen sogar gemeinsam im Unterricht. Trennen konnten die beiden nicht mal Zeiten, in denen sie in Südamerika und er in Australien und Neuseeland war. Als sie dann zusammengewohnt haben, reichte manchmal ein Sechs-Quadratmeter-Zimmer. Zu zweit, wohlgemerkt. Das war, als Steffi und Philipp im kanadischen Ski-Resort Whistler jobbten. Schon damals begannen sie, Skizzen und Pappmodelle von einem Tiny House anzufertigen, also einem kleinen Haus auf Rädern. In der US-Stadt Portland erkundeten sie, was es mit der boomenden Mini-Haus-Bewegung so auf sich hat. „Wir haben uns schon immer gefragt, wieso Leute 30 bis 40 Jahre nur für ihr Haus arbeiten gehen“, sagt Philipp. Die Idee, mit weniger als 20 Quadratmetern auszukommen, zum Wohnen, Schlafen, Kochen und Essen, faszinierte sie.
Auch deswegen begannen die beiden nach ihrer Rückkehr nach Deutschland 2016 in Augsburg zunächst ein Studium für energieeffizientes Planen und Bauen. In ihrer Freizeit bauten sie ihr erstes Tiny House namens „Nordic Fjöll“. Es ist 7,20 Meter lang und 2,55 Meter breit. Nur wohin damit? In ihrer Freizeit bauten sie ihr erstes Tiny House namens „Nordic Fjöll“. Es ist 7,20 Meter lang und 2,55 Meter breit. Nur wohin damit? Die Gesetzeslage in Deutschland ist bis heute diffus und die Grundstückssuche schwierig. Im Internet stießen sie auf ein Inserat für ein „Freizeitgelände“ im Fichtelgebirge und bei einer Visite gleich auf Widerstand in einem Bauamt dort. Nein, kein Platz für so was Merkwürdiges wie ein Tiny House. „Wir waren richtig sauer“, erzählt Steffi heute mit einem Lächeln, „weil wir nicht verstanden haben, dass man jungen Leuten, die hier hinziehen wollen, derart im Weg stehen kann.“ Erst der Tourismusverband signalisierte Anfang 2017 Unterstützung und stellte Kontakt zu Franz Tauber her, dem Bürgermeister von Mehlmeisel.
Der ist mit beiden gleich per Du und zeigt ihnen mögliche Grundstücke. Auch einen 17.000 Quadratmeter großen Campingplatz, der zum Verkauf stehen soll. Die heute 24-Jährigen zögerten: „Unser größtes Ziel war, legal zu wohnen und anerkannt zu sein. Wir sind keine Dauercamper, das hier ist für uns keine Notlösung, sondern unser Erstwohnsitz“, sagt Philipp, und es klingt stolz. Schon damals haben er und seine Freundin die Idee, ein Tiny-House-Village zu initiieren, mit diversen anderen Häusern, drei davon auch zur Vermietung. Sogar einen ausgefeilten Business-Plan für die „Community“ gibt es. Dann geht plötzlich alles ganz schnell: Mit Unterstützung der VR Bank Bayreuth-Hof und der LfA Förderbank Bayern werden am 18. August 2017 die Verträge unterschrieben. Der ausgediente Campingplatz, auf dem Deutschlands erstes Tiny-House-Dorf entstehen soll, wechselt die Besitzer. Das „Nordic Fjöll“ bekommt endlich einen Platz, und manchmal haben die beiden gezeltet, damit Gäste in ihrem Haus wohnen konnten.
Ab April 2018 folgten dann ein zweites Gästehaus und ihr eigenes, gut gedämmt und auf Schraubfundamenten, nicht auf Rädern. Kurz darauf kamen die ersten neuen Dorfbewohner, unter anderem eine junge Familie mit Kind, mehrere Paare, ein Rentner, eine Mutter und ihre Tochter. Einige sind aus dem Raum Frankfurt, andere aus Ingolstadt oder vom Bodensee hergezogen, um sich in Mehlmeisel ein eigenes Mini-Haus zu bauen. Die Preise liegen, je nach Aufwand, bei 20.000 Euro aufwärts. „Wir haben keine bestimmte Zielgruppe und wir sind auch keine Traumblase. Hier wohnen Menschen, die unzufrieden damit sind, wie unsere Gesellschaft funktioniert. Die sich mehr Zeit nehmen wollen, auch für ihre Familie“, so Steffi. Raus aus dem Hamsterrad! 15 Häuser sind es heute, mit 18 Bewohnern.
Steffi und Philipp sind zuversichtlich, dass bereits in diesem Jahr alle 30 Tiny-House-Plätze vergeben werden. Größer wird es zunächst nicht, aber Pläne gibt es viele: Permakulturgarten, Badeteich, Hühner, ein Gemeinschaftshaus, in dem irgendwann mal ein kleines Café eröffnet und Arbeitsplätze entstehen. Für das Haus und die gemeinschaftlichen Aktivitäten wurde eigens ein Verein gegründet, weil Steffi und Philipp eben keine Betreiber und Profiteure sein wollen, sondern Ermöglicher. Steffi: „Egal, ob Bücher, Leiter oder Rasenmäher: Es ist erstaunlich, was man als Community alles teilen kann. 1,95 Euro kostet der Quadratmeter inklusive Strom- und Wasseranschluss, also überschaubar bei den 100 bis 150 Quadratmeter großen Grundstücken. Die Nachfrage ist viel größer als gedacht: Die „Hotel“ genannten Miethäuser sind über Monate ausgebucht, aus ganz Deutschland melden sich Interessierte, die das Konzept von Mehlmeisel nun auch anderswo umsetzen wollen, und zum ersten Sommerfest kamen bereits im vergangenen Jahr mehr als 1.000 Besucher; einer sogar extra aus Köln.
Und Presse, Radio und Fernsehen waren auch schon da. „Am Anfang waren unsere Eltern ja skeptisch“, sagt Philipp, „aber mittlerweile sind sie beruhigt und stolz. Wir stehen auf eigenen Beinen und leben ein nachhaltiges Leben, in dem wir wenig Geld brauchen und mehr Zeit haben.“ Mal ganz abgesehen vom traumhaften Blick aus ihrem Wohnzimmerfenster auf Ochsenkopf und Schneeberg, die Gipfel des Fichtelgebirges.“