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Kunstkalender 2021 – Kalenderblatt November

Metadaten

Kategorie
Kunstkalender
Mediatyp
Bilder, Video
Jahr
2021

Technische Daten

  • Ludi Karlucci 
  • In Passing |||
  • 2019
  • Größe (H x B x L): Maße variabel
  • Full HD Video Loop ohne Ton

In Passing |||

Eine verschwommene Winterlandschaft ist in den Standbildern des Videos von Ludi Karlucci gerade noch zu erkennen. Gefilmt wurde aus dem Fenster eines fahrenden Zuges. In dem etwas mehr als dreiminütigem Clip rauscht die Landschaft vorbei. Selten ist ein Gebäude, eine Straße, ein Verkehrsschild erkennbar, zumeist sind es die reifbedeckten Bäume und Sträucher, die förmlich vor den Augen tanzen. Es sind trotz der einfachen Erklärung unwirklich vorbeiziehende Bilder, die sich scheinbar vorwärts als auch rückwärts bewegen und in Schnitten bearbeitet wurden.

Auch ihre Taktung wurde von Ludi Karlucci angepasst. Eine Studienkollegin, so berichtet er, verwendete dafür die Metapher vom Kneten und Formen des Materials. Mit dieser Vorstellung werden die nördlich von Belgrad kurz nach Sonnenaufgang gemachten Videoaufnahmen zu einem Material, das eine gewisse Elastizität hat und schließlich etwas Körperliches bekommt. Aus dem Bilderstrudel tauchen einzelne Details kurz auf. Sie können für den kürzesten Augenblick fokussiert werden, um sich sofort wieder in der Bilderknete aufzulösen.
Ludi Karlucci hat sich mit der Bewegung beschäftigt, mit der das menschliche Auge Dinge erfasst. Zumeist tastet es Gegenstände räumlich ab und identifiziert diese. Das geschieht sprunghaft und in der Unterscheidung von Form und Entfernung. Wenn sich der Gegenstand jedoch bewegt, folgt ihm das Auge. Es kann nicht mehr abtasten, sondern bewegt sich fließend mit. Beim Blick aus einem fahrenden Zug sind beide Arten der Wahrnehmung miteinander verbunden. Je nachdem, wie weit ein Objekt von der eigenen horizontalen Bewegung entfernt ist, bewegen sich Vordergrund und Hintergrund verschieden schnell, wenn man das Objekt fokussiert. Dass damit ein fester, objektiver Standpunkt nicht möglich ist, lässt sich schließlich auch auf Lebenssituationen übertragen, bei denen die Realität infrage gestellt wird. Das Bilderrauschen wird zur Metapher für den Rausch, der die Wahrnehmung der Umgebung bestimmt.

Text: Jochen Meister

Der Künstler

Ludi Karlucci
Ludi Karlucci
1994

Geboren in München
lebt und studiert in Nürnberg

2014-2015

Design Studium an der TH Nürnberg

Seit 2016

Studium der Freien Kunst an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg bei Professorin Heike Baranowsky

Seit 2020

Studium der Medienkunst an der HfG Karlsruhe

Quality Time, Kunstverein München (Gruppenausstellung)

2018

KMMN Kunstfilmtage, Interim, Kassel (Gruppenausstellung)