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Kunstkalender 2021 – Kalenderblatt März

Metadaten

Kategorie
Kunstkalender
Mediatyp
Bilder, Video
Jahr
2021

Technische Daten

  • Leon Wachtler
  • Anemoia II
  • 2020
  • Größe (H x B x L): Maße variabel
  • digital erstellte Bildkomposition

Anemoia II

An einer Tankstelle bleibt man nicht, sondern man kommt und man geht. Es ist kein Ort zum Verweilen. Leon Wachtler verzichtet in seinem Motiv ganz auf Menschen. Er zeigt nur den Ort und das tut er zugleich mehr oder weniger schematisch. Architektur, Zapfsäule, Abfalleimer, auch die Landschaft scheint sich auf Grundelemente zu reduzieren. Es ist keine spezielle Tankstelle, sondern vielmehr der allgemeine Begriff davon. Das macht es uns möglich, diesen Ort irgendwie als vertraut zu empfinden. Jeder weiß sofort, was gemeint ist, auch wenn er diesen Ort garantiert noch nie gesehen hat. Wahrscheinlich entstehen in unserem Kopf ganz unterschiedliche Erinnerungen von Tankstellen.

Der Ort, den uns Leon Wachtler zeigt, ist hingegen künstlich konstruiert. Es ist ein Produkt digitaler Bildgestaltung, wie man mit einem scharfen Blick auf die Ränder sofort feststellen kann. Leon Wachtler hat mit einem Zeichenprogramm gearbeitet. Er hat sogar eigene grafische Werkzeuge programmiert, um gewisse Effekte erzielen zu können. Der pastellfarbene Abendhimmel wurde ebenso gezeichnet wie die scharf umrissenen Kuben am Rand der Asphaltfläche oder der plastisch modellierte Rundpfeiler, der das Dach trägt.
Der künstliche Effekt stellt sich insbesondere dort ein, wo die geometrischen Formen reiner Grafik die figürlichen Elemente überlagern: unten und links. Dort sind zwei große dunkle Halbkreise zu sehen. Es sind sozusagen die Aufsetzspuren der digitalen Pinsel; überbreit, um den Asphalt zu grundieren. Darüber sind die kleineren Pinselstriche erkennbar, mit denen der Himmel entstanden ist. Die Flachheit beispielsweise der Häusersilhouetten am Horizont kontrastiert zu den dreidimensionalen Effekten. Es ist die Bildsprache älterer Computerspiele, auf die Leon Wachtler sich bezieht.
In unserer visuellen Kultur wird trotz der Bemühungen einiger Museen dieser eminent wichtige Beitrag noch wenig wahrgenommen. Mit dem Kunstwort »Anemoia«, das die nostalgische Erinnerung an ein Ereignis meint, welches nie stattfand, gibt der Titel einen Hinweis auf die Verknüpfung des real nicht existierenden Ortes mit unseren Gefühlen bei dessen Betrachtung. Dabei wird nur so viel Bildmaterial eingesetzt, wie notwendig ist. Die einsame Tankstelle weckt vielleicht auch die Erinnerung an Szenen, wie sie der Maler Edward Hopper schuf. Nur sind dessen Orte in einer traditionellen malerischen Reduktion entstanden, während »Anemoia 2« deren digitales Erbe einbezieht.

Text: Jochen Meister

Der Künstler

Leon Wachtler
Leon Wachtler
1999

Geboren in Neustadt an der Aisch
lebt und studiert in Nürnberg

Seit 2018

Studium der Kunstpädagogik an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg bei Professor Jochen Flinzer

Ausstellungen (Auswahl)

2020

Installation Mechanical Sarcophagus, Plattform, München (Gruppenausstellung)

leonwachtler.com