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Kunstkalender 2019 – Kalenderblatt April

Metadaten

Kategorie
Kunstkalender
Mediatyp
Bilder, Video
Jahr
2019

Technische Daten

  • Rosanna von Angerer
  • Schau mir in die Augen
  • 2018
  • 15 cm x 8 cm x 18 cm
  • Aluminium, Spiegelglas und Kabel

Schau mir in die Augen

Viele Menschen denken bei Schmuck an kostbare Gegenstände, an schöne Formen, mit denen sich eine Person schmückt. Auch traditioneller Schmuck hat häufig eine symbolische Bedeutung, steht für Eigenschaften und Botschaften an andere Menschen. Ein Diadem, ein goldener Ehering, eine modische Brosche: Mit der Wahl eines Schmuckstücks erzählt uns eine Person etwas über sich selbst. Wenn eine Schmuckkünstlerin also ein Objekt entwirft, dann kann diese enge Verbindung zwischen Objekt und Person ein möglicher Ausgangspunkt sein, um die Form zu entwickeln. Rosanna von Angerer hat für diese Beziehung zwischen Objekt und Subjekt, Schmuckstück und Person ein Ding gewählt, das schon von sich aus weit mehr als ein funktionales Werkzeug ist. Dass eine Brille zum Schmuckstück wird und ihre optischen Aufgaben in den Hintergrund rücken oder gar nicht wahrgenommen werden, ist ja nicht ungewöhnlich. So verzichten Popgrößen selten auf markante Sonnenbrillen, ganz unabhängig von deren Funktion. Sie verbergen zwar die Augen hinter dunkel getönten Gläsern, verraten aber zugleich den besonderen individuellen Anspruch ihrer Träger*innen.

Rosanna von Angerers Brille dagegen besitzt gar keine Gläser. In ein leichtes, aber solides Gestell aus Aluminium sind zwei Konkavspiegel eingesetzt, die aus industrieller Fertigung stammen. Die Spiegelschalen sind nach außen gewölbt. Setze ich diese Brille nun auf, kann ich meine eigenen Augen stark vergrößert betrachten. Damit erklärt sich die kleine, aber ungemein wichtige Abwandlung eines der bekanntesten Zitate der Filmgeschichte. Nicht mir in die Augen soll geschaut werden, sondern die Aufforderung zur Selbstbespiegelung erfolgt. In einem metaphorischen Sinn kann damit auf die Reflektion der eigenen Persönlichkeit Bezug genommen wer­ den. Was man im eigenen Auge sieht, bleibt natürlich jeder Person selbst überlassen. Selten wird die Gefahr drohen, sich wie der antike Narziss ins eigene Spiegelbild zu verlieben, das hier nur aus einem Augenblick besteht. Doch wie die vielen Metaphern und Mythen rund um das Sehorgan beweisen, hat es eine besondere Bewandtnis mit diesem Blick. Vielleicht hat man am Ende mehr Durchblick als bei einer optischen Brille, wenn man sich selbst in die Augen geschaut hat... Durch die rote Schnur kann die Schmuck­Brille schließlich wie eine Kette getragen werden, muss sie sogar, wenn man sich nicht in die abgeschirmte Reflektion begibt. Anders als vielen modischen Brillen­Accessoires mag dieser Brille jedoch ein aufklärender Impuls eigen sein, der mehr als ein Spektakel ist – wie übrigens das Thema eines Wettbewerbs lautete, der Rosanna von Angerer zu „spectacles“, dem englischen Wort für Brille, inspirierte.

Text: Jochen Meister

Die Künstlerin

Rosanna von Angerer
Rosanna von Angerer
1989

Geboren in München

seit 2015

Studium für Freie Kunst / Gold- und Silberschmieden an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg bei Professorin Suska Mackert

Ausstellungen

2011

Eksperimenta! Triennale, Tallinn, Estland (Gruppenausstellung)

2015

Is this chronological? KlasseN, Streitfeld Projektraum München, (Gruppenausstellung)

2018

3 im Weggla 6 auf Kraut / part 2 of 3, Galerie Marzee, Nijmegen, Niederlande (Gruppenausstellung)