Kunstkalender 2018 – Kalenderblatt Dezember
Beschäftigt man sich mit einem Zusammentreffen von Albatros und Armbrust, scheint der unheilvolle Ausgang für das Tier vorgezeichnet zu sein. Zugleich führt der Albatros in maritimes Milieu - und zu einem literarischen Werk, das in Großbritannien so bekannt sein dürfte wie bei uns Goethes "Erlkönig". Der Dichter Samuel Taylor Coleridge veröffentlichte 1798 das Gedicht "The Rime of the Ancient Mariner". In dieser Ballade vom alten Seemann erschießt jener einen Albatros mit seiner Armbrust. Das hat fatale Folgen, gilt das Tier doch als Glücksbringer. Claudio Matthias Bertolini illustriert jedoch nicht Coleridges literarischen Stoff. Der Hauptakteur, jener Seemann, der Schuld auf sich lädt und zur Sühne als ewiger Wanderer durch die Welt streifen muss, taucht nicht auf. Denn der Künstler fokussiert sich auf die beiden Objekte, die schicksalhaft verbunden sind, obwohl sie autonom wirken. In ihrem Zusammentreffen liegt für Claudio Matthias Bertolini eine gewisse Unvermeidlichkeit, auch wenn er nicht von einem Diptychon, also einem Werk aus zwei zusammengehörigen Teilen, reden mag. Warum nicht? Jedes der beiden Bilder wahrt für den Künstler seine Eigenständigkeit und kann für sich alleine stehen. Die Zwangsläufigkeit der Begegnung stellt sich auf der literarischen Ebene ein. Der Titel "Duet" mit dem jeweiligen Zusatz verweist genau auf diesen Umstand.
Text: Jochen Meister