Kunstkalender 2017 – Kalenderblatt Mai
Aus der Fülle sinnlicher Wahrnehmungen, aus Räumen, Farben, Formen und Klängen entstehen „Gedanken“, wie Irina Ojovan ihre Werkreihe betitelt. Sie bilden nicht die fassbaren Phänomene ab, sondern spielen mit den zeitlos gültigen Prinzipien der Wahrnehmung. So wurde eine tiefschwarze Fläche kreiert, die fast die Hälfte der Bildfläche bedeckt. Zuerst habe sie die Idee von Schwarz gehabt, doch keinesfalls als ein den Bildraum verschließendes Objekt. Die Fläche formt sich wie ein sanfter, konvexer Körper im grellen Gegenlicht. Hinter ihr befindet sich die Quelle für dieses Licht, das bläulich changiert und ihre Kontur scharf hervorhebt. Dadurch verstärkt sich der körperliche Effekt. Trotz ihrer tiefen Schwärze scheint die Form ganz nahe zu sein. Das helle Licht wechselt rasch in ein dunkles Grau. Allerdings bildet dieses Grau keine homogene Form wie das Schwarz, sondern es scheint fluid, verändert seine Erscheinung in wechselnden vertikalen Verläufen und lässt sogar das helle Blau links unten wieder zum Vorschein kommen. Schließlich dringt ein flacher Winkel in diesen Bereich. Seine Spitze weist auf die hinter der dunklen Fläche verborgene Lichtquelle, auf den Bereich des größten Kontrasts. Ein Bildraum entsteht, der keine gegenständliche Perspektive benötigt. Die Reduktion auf wenige starke optische Eindrücke ist die Quintessenz der Komposition. Dies ist jedoch nichts weniger als eine Kopfgeburt, sondern zielt auf ein intuitives Ausbalancieren wesentlicher Elemente von Malerei. Irina Ojovan möchte damit ein Statement setzen für das Wesentliche: aufgeschlossen zu sein mit allen Sinnen für alle Phänomene, sich in der eigenen Arbeit jedoch konzentrieren und reduzieren auf das Wesentliche.
Text: Jochen Meister