Kunstkalender 2017 – Kalenderblatt April
Bais und Jörg sind diese Werke suspekt in ihrer Wirkung, die trotz möglicherweise guten Willens ihrer Meinung nach die Flüchtlinge benutzen, ihnen jedoch nicht nutzen. Der Titel, der auf die Kampagne nach dem islamistischen Anschlag auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ anspielt, weist auf den Widerspruch zwischen Solidarität und Behauptung hin. Bais und Jörg bewerteten nun die marktrelevanten Faktoren der drei Werke, etwa den Bekanntheitsgrad des Künstlers oder den motionalen Faktor des Motivs, mit einem 5-Sterne-System, wie man es aus der Produktwerbung im Internet kennt. Der Clou ist, dass die (im übrigen fiktionalen) Bewertungen mit einer Farbskala verknüpft sind, aus der sich die Farbgestaltung der Ornamente ableitet. Die drei Fliesen repräsentieren also die merkantilen Erfolgsfaktoren der „Flüchtlingsbilder“. Je ausgewogener und reinfarbiger die Gestaltung, desto erfolgreicher das zugeordnete Werk. Unschwer erscheint die mittlere, Ai Wei Wei zugeordnete Fliese als die attraktivste. Ein weiterer Aspekt des Ornaments macht aus der Konzeptkunst eine ortsspezifische Arbeit. Die 1844 geweihte Ludwigskirche zitiere, so Bais und Jörg, mit ihrer Wanddekoration zugleich das byzantinische Abbildungsverbot, das zur Blüte des Ornaments im Nahen Osten führte – am Rande jenes Mare Nostrum, das heute zum Massengrab geworden ist.
Text: Jochen Meister