Der Gedanke, Unternehmer zu werden, reift in Jonathan Welz schon im Studium heran – und später in den ersten Jahren seiner Karriere immer weiter. Der Ingenieur recherchiert und liest viel zum Thema, darunter auch eine Information, die ihn nicht mehr loslässt: Jedes Jahr suchen zahlreiche Betriebe einen Nachfolger, aber nur wenige finden eine geeignete Person. Für Welz steht schnell fest, dass er eine bestehende Firma übernehmen möchte. Die erste Herausforderung auf dem Weg dahin: ein passendes Unternehmen zu finden. Er kündigt seinen Job, um sich ganz auf die Suche konzentrieren zu können. Immer mehr kristallisiert sich für ihn heraus, welche Kriterien das Unternehmen erfüllen muss: Wichtig ist eine gegenseitige Sympathie zwischen ihm und den Gründern oder aktuellen Inhabern – bei den Themen Werte und Weltanschauung sollte man die gleichen Ansichten haben. Und das Unternehmen soll profitabel am Markt positioniert sein. „Ich habe mir gewünscht, einen Betrieb zu finden, bei dem ich zum einen begeistert vom Produkt bin und zum anderen direkt viele Ideen bekomme, wie ich das Konzept noch besser machen könnte“, erinnert sich Welz.
Ohne dass er es ahnt, gibt es ganz in seiner Nähe ein Unternehmen, das all diese Kriterien erfüllt: Polymold, ein Betrieb, in dem Kunststoffbaugruppen für die Medizintechnik hergestellt werden. Die Produktionsspezialisten Josef Irion und Peter Mallmann gründeten Polymold 1999 in Pähl in der Nähe des Ammersees, damals noch als Zweimannbetrieb. Über die Jahre etablierte sich das Unternehmen als verlässlicher Partner für die gesamte Prozesskette in der Medizintechnik: von der digitalen Entwicklung über die Fertigung von Prototypen, den Bau von Präzisionswerkzeugen bis hin zur Serienproduktion. 2021 beschäftigt Polymold rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Alles läuft nach Plan – und Irion und Mallmann beschließen, sich auf die Suche nach einem Nachfolger zu machen. Sie sind zwar erst Mitte 50, möchten aber rechtzeitig vertrauenswürdige Hände finden, in die sie ihren Betrieb geben können. Die Mitglieder ihrer Familien haben beruflich andere Richtungen eingeschlagen.
2021 ist auch das Jahr, in dem Jonathan Welz einen Anruf von der IHK annimmt. „Es gibt da ein Unternehmen, das Sie interessieren könnte“, erklärt die Mitarbeiterin am anderen Ende des Hörers. Sie weiß von Welz’ Suche nach dem passenden Betrieb. Kurz darauf setzen sich Irion, Mallmann und Welz zum ersten Mal zusammen. Schon nach dem ersten Treffen weiß Welz, dass das eine richtig gute Zusammenarbeit werden könnte, denn das Gründer-Duo erfüllt seine wichtigste Voraussetzung: Sie sind direkt mit ihm auf einer Wellenlänge.
In den nächsten Monaten wird er von den beiden Gründern in die Welt von Polymold eingeführt. Das, was er erfährt, beeindruckt ihn: Das Unternehmen ist seit 1999 erfolgreich auf dem Markt und arbeitet teilweise seit Jahrzehnten mit seinen Kunden zusammen. Medizintechnische Produkte, die hier entstehen, werden in die ganze Welt ausgeliefert. Die Qualität des Produkts und die Verlässlichkeit der Firma liegen jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter am Herzen. Sie arbeiten gern hier – und das merkt man: Der erste Mitarbeiter beispielsweise, der 1999 eingestellt wurde, ist heute immer noch für Polymold tätig.
Für Welz ist klar: Er möchte der neue Geschäftsführer der Polymold GmbH & Co. KG werden. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt im Übergabeprozess ist natürlich die Finanzierung. Man muss die richtigen Partner finden, mit denen man so ein Projekt auf die Beine stellen kann. Seine Hausbank holt die LfA mit an den Tisch. Über mehrere Monate sitzen fünf Parteien mit ihren Teams – die LfA, die Stadtsparkasse, die LfA-Tochter BayBG, die KfW und Welz – zusammen und stellen die Finanzierung auf die Beine. Er erhält zwei Startkredite von der LfA. Die BayBG ist außerdem im Rahmen einer Eigenkapitalfinanzierung involviert.
Zwischen dem ersten Kennenlernen und der notariellen Übergabe vergehen gerade mal sieben Monate – eine wahnsinnig aufregende Zeit, wie sich Welz erinnert. Eine Zeit langer Verhandlungen, zusätzlicher Besprechungen und Hunderter kleiner Zwischenschritte.
Wenn Abende länger werden, kochen auch mal die Emotionen hoch. „Aber – es hat sich alles mehr als gelohnt“, sagt Welz. „Das hier ist das größte Abenteuer, das ich je erlebt habe.“ Eine Besonderheit am Übergabeprozess ist sicherlich: Gründer Josef Irion bleibt als technischer Berater in der Firma und arbeitet dort noch – nur eben nicht länger als Geschäftsführer.
Für Welz ist dieses Modell von Anfang an eine unglaubliche Bereicherung. Mit Irion hat der Nachfolger einen wichtigen Sparringspartner gefunden, der einer der Top-Experten im Bereich Kunststoff in Deutschland und darüber hinaus in Oberbayern als Prüfer der IHK unglaublich gut vernetzt ist.
Diese Eigenschaften und die Expertise sowie die frischen Ideen von Welz scheinen sich gut zu ergänzen. „Er unterstützt mich als neue Generation im Unternehmen. Dass er noch hier arbeitet, empfinde ich als absolute Bereicherung“, sagt Welz.
Herkunft erhalten und gemeinsam die Zukunft gestalten, so lautet der rote Faden seiner Antrittsrede im Dezember 2021. Der neue Geschäftsführer erklärt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Anfang an, dass jeder Arbeitsplatz erhalten bleiben wird. Er will mit Polymold Innovationen vorantreiben, neue Märkte erschließen und weiterhin zusammen mit seinen Kunden einen positiven Beitrag in der Welt leisten – nicht nur in der Medizintechnik. Damit das in noch größerem Stil gelingt, werden bald neue Produktionsräume gebaut. Besonders junge Menschen, die das Unternehmertum anstreben, möchte er ermutigen, sich mit dem Thema Unternehmensnachfolge zu beschäftigen. Denn manchmal ist das perfekt passende Unternehmen näher, als man denkt.