Als Autor und Referent bei der IHK Potsdam sind Sie Experte für Unternehmensnachfolge. Was hat Sie am meisten an dem Thema überrascht?
Wie massiv die emotionalen Widerstände sein können – auf beiden Seiten. Der Mensch reagiert aus psychologischer Sicht in der Regel erst mal mit einer Schockreaktion auf große Veränderungen, die von außen kommen. Trotzdem war es für mich überraschend, dass bei aller Vernunft und bei allem ökonomischen Denken und Handeln, das Unternehmern ja in der DNA liegt, die Emotionen die entscheidende Rolle im Nachfolgeprozess spielen. Verständlich: Denn für eine Partei bricht ein großer Teil des Alltags weg. Man muss sich komplett neu ausrichten und vielleicht auch klären, wie man sein Leben und seine Familie in Zukunft finanzieren wird. Das bringt emotionale Herausforderungen mit sich – die viele unterschätzen.
Wie kann man starke emotionale Reaktionen vermeiden und sich voll auf den Prozess einlassen?
Mit einer radikal ehrlichen Selbstreflexion. Wie will ich meinen Lebensalltag „danach“ gestalten? Und wie kann ich dabei eine Sinnhaftigkeit erleben? Dieses Wahrnehmen und Loslassen sind Herausforderung und Chance in einem. Chance, weil es eine tolle Möglichkeit ist, neue Lebensinhalte für sich kennenzulernen und vielleicht auch einen neuen Lebenssinn für sich zu entdecken.
Warum ist der sogenannte Wissenstransfer oft ein kritischer Punkt in der Übergabe?
Implizites Wissen, also Erfahrungswissen, das zum Beispiel durch praktische Anwendung erworben wurde, kann man nur schwer verschriftlichen und daher nicht so leicht weitergeben. Umso wichtiger ist es, den Prozess durch die Brille eines Wissensmanagers zu betrachten. Und zu prüfen: An welchen Stellen gibt es denn wirklich geschäftsrelevantes, wertschöpfendes Wissen, das auf keinen Fall im Rahmen des Nachfolgeprozesses verloren gehen darf?
Was sind häufige Fehler im Nachfolgeprozess?
Viele unterschätzen die Macht der Kommunikation. Nachfolge heißt oft auch Generationswechsel, und da prallen durchaus verschiedene Wertvorstellungen aufeinander. Sätze wie „Das haben wir doch schon immer so gemacht. Warum sollen wir das ändern?“ oder „Du kannst halt mit der modernen Welt nicht mithalten“ haben durchaus einen vorwurfsvollen Charakter und zeigen, wie schwierig Kommunikation sein kann. Deshalb ist eine wertschätzende Kommunikation besonders wichtig: Beide Parteien müssen lernen, sich auf Augenhöhe zu begegnen.
Welche Schritte sollten Unternehmer und Unternehmerinnen frühzeitig einleiten, wenn sie die Übergabe ihres Betriebs planen?
Die Vorbereitung für eine Übergabe beginnt im Optimalfall im Alter von 50 bis 55 Jahren. Sie ist zweigeteilt: In der organisatorisch formalen Vorbereitung geht es darum, alle für die Übergabe oder den Verkaufsprozess relevanten Unterlagen und Dokumente zusammenzutragen. Dazu gehören Bilanzen, Verträge, aber auch Notfallhandbücher und Vollmachten für den Worst Case. Noch wichtiger ist die mentale Vorbereitung, das heißt die Selbstreflexion und auch Klärung der ganz persönlichen Ziele. Was will ich mit der Unternehmensnachfolge konkret erreichen? Was sind meine Ziele, die ich neben dem Kaufpreis umsetzen möchte? Wie stelle ich mir den Alltag danach vor? Worauf freue ich mich besonders? Diese Überlegungen sind für einen nachhaltig erfolgreichen Nachfolgeprozess im ersten Schritt wichtiger, als sich direkt einen Unternehmenswert oder Kaufpreis auszurechnen.
Was sollte man darüber hinaus nicht außer Acht lassen?
Die Frage: Wo bekomme ich Unterstützung? Eine Unternehmensnachfolge ist ein extrem komplexer Prozess und daher auf keinen Fall eine One-Man- oder One-Woman-Show – sie ist ein Teamsport. Es ist wichtig, sich frühzeitig Unterstützung zu holen und seine Mannschaft aufzustellen. Dazu gehören Steuerberater, IHK und HWK, Banken wie die LfA, Berater und viele mehr. Man sollte nicht vergessen: Sich Hilfe zu holen, ist ein Zeichen von Stärke