Bäckermeister Julius Brantner
Menschen

Zwischen Teig und Tradition

Lange hat Julius Brantner mit sich und dem Bäckerberuf gehadert. In Anbetracht der Menschenschlage vor seinen Bio-Bäckereien ist das kaum zu glauben. Sein Erfolgsrezept? Transparenz trifft auf Experimentierfreude
TEXT Lena Kaeß

Wenn München noch tief schläft und die letzten Nachtschwärmer den Weg nach Hause antreten, leuchtet im Erdgeschoss der Nordendstraße 23 schon wieder Licht. Dort knetet hinter einer großen Glasfassade der Bäcker des Viertels die ersten Bio-Brotteige in Form. Es ist kein Geringerer als Julius Brantner – Bäckermeister und Eigentümer der gleichnamigen Münchner Bio-Backstuben. Sein Name ist längst in aller Munde, und das weit über die Stadtgrenzen hinaus.

Bäckermeister Julius Brantner in seiner Bio-Backstube

Bäckermeister Julius Brantner in seiner Bio-Backstube

In der Backstube meiner Eltern war immer Action und super Stimmung

Julius Brantner Brothandwerk ist keine gewöhnliche Bio-Bäckerei. Eine üppige Auslage mit verschiedenen Brotsorten, Semmeln und Gebäcken sucht man hier vergeblich. Ganz im Gegenteil: Brantner präsentiert seine Auswahl an Bio-Gebäcksorten wie kuratierte Museumsartefakte. Jedes Bio-Brot liegt einzeln, kein Brot berührt das nächste. Nur fünf Standardprodukte verkauft Brantner: drei Brote, eine Semmel, ein Krusti – allesamt zu 100 Prozent biozertifiziert. Als Tages-Special sind auch mal Bio-Buttercroissants erhältlich, und in der Bio-Backstube in der Kreuzstraße werden außerdem Bio Schwäbische Brezeln angeboten.

„Bei unseren Bio-Produkten steht die Qualität an erster Stelle, deshalb ist unser Sortiment recht klein“, sagt Brantner. Die Leidenschaft fürs Backen lieg bei den Brantners im Blut: Opa und Papa Brantner sind Bäckermeister und besitzen in der alten Heimat, dem Schwarzwald, sogar mehrere Filialen. „In der Backstube meiner Eltern war immer Action und super Stimmung. Das hat mir schon damals gefallen“, sagt Brantner. Trotz der Nähe zur Backkunst probierte sich Brantner nach der Schule erst mal fachfern aus. Drei Büropraktika später entschied er sich dann doch für eine Bäckerausbildung. Ihm war klar: „Acht Stunden nur auf dem Stuhl sitzen? Das kann ich nicht.“

An Selbstständigkeit dachte Brantner damals noch nicht. Geprägt von anhaltenden Zweifeln am Bäckerberuf, zog es ihn nach Australien – für neun Monate Work & Travel. Doch selbst auf der anderen Seite der Welt konnte er sich dem verlockenden Duft von frisch gebackenen Köstlichkeiten nicht entziehen. Nachts auf dem Weg vom Club ins Hostel lief Brantner an einer Bäckerei vorbei. „Ich fand die voll geil. Und habe mir gedacht: Ich hätte mal wieder Lust, so einen Teig in der Hand zu haben.“ Am nächsten Tag formte er hier bereits als angestellter Bäcker den Teig.

Mit dem Teig arbeiten, ihn herstellen, das war schon immer Brantners liebste Aufgabe im Bäckerberuf. In seinen Münchner Backstuben reifen die Teige bis zu 72 Stunden. In diesem Prozess werden Getreidestoffe, Gluten und Eiweißbausteine abgebaut und machen das Brot für den Menschen bekömmlich. Damit setzt er sich von industriell hergestellten Backwaren ab. Laut Brantner steckt darin jede Menge Chemie, die der menschliche Körper nicht gut verträgt. Der 31-Jährige weiß, wovon er redet: Er hat selbst in zig Großbetrieben für Backwaren gearbeitet. Damals habe er seinen Kopf beim Betreten der Arbeitsstelle ausgeschaltet, im Auto-Modus die Maschinen bedient und sei abends nach Hause gegangen. Eine Arbeit, die ihn nicht wirklich befriedigte. Von seiner Zukunft versprach er sich etwas anderes. „Mit Teig rumspielen, Mehl in der Hand haben, wie das alles riecht“ – das Handwerk ist es, weshalb Brantner den Beruf des Bäckers ursprünglich so liebte und wieso er letztlich den Sprung in die Selbstständigkeit wagte.

Dabei hatte der Schwabe ein eher unkonventionelles Konzept vor Augen: transparente Bio-Backstuben. Vor großflächigen Fensterfronten wollte er vor den Passanten und potenziellen Käufern backen. Jeder Schritt kann von ihnen beobachtet werden. Weg von Backmischungen & Co., hin zu hochwertigen Bio-Rohstoffen und regionalen Zulieferern. Ebenso wichtig wie diese Transparenz ist Brantner die ästhetische Umgebung, in der er arbeitet. Seine Arbeitserfahrungen in internationalen Backstuben in Australien, Japan und den USA haben ihm gezeigt, dass eine moderne Architektur und kreatives Design das Backerlebnis bereichern. Dieser Businessplan wurde von den Banken zunächst kritisch beäugt. Die Münchner Banken glaubten nicht an sein Konzept und sowieso gebe es bereits genug Bäckereien in der Stadt. Seine Hausbank im Schwarzwald wunderte sich, weshalb er nicht einfach den Betrieb seines Vaters übernehme. Doch das war keine Option, er wollte sein eigenes Geschäft starten. Er fuhr die schweren Geschütze auf, brachte den Angestellten und dem Vorstand seiner Hausbank selbst gemachtes Brot vorbei. Damit überzeugte er. Brantners Hausbank empfahl ihm die LfAFörderbank Bayern. Mithilfe ihres Kredits in Höhe von 285.000 Euro finanzierte er Teile des Umbaus und Maschinen.

Brantners Ansatz kommt auch beim Bäckernachwuchs gut an. Trotz Fachkräftemangels und sinkender Ausbildungs- und Beschäftigungszahlen im Bäckerbereich hat Brantner kein Problem, Angestellte zu finden. „Die Leute kommen zu mir und sagen: ‚Hey, Julius, ich hab Bock, Bäcker zu lernen, und ich will was mit meinen Händen machen‘“, sagt Brantner, „wir bekommen viele Anfragen von Quereinsteigern und Personen, die krasse Jobs in sehr guten Firmen haben. In unserer Generation suchen immer mehr Menschen nach dem Sinn im Leben, sie möchten ihre Zeit in etwas Wertvolles investieren.“ Brothandwerk sei genau das Richtige: In der Bäckerei arbeitet man körperlich und wird direkt mit dem Ergebnis – frischem Brot – belohnt.

Im Julius Brantner Verkaufsraum

Brantners Produkte sind das Ergebnis von inspirierenden Reisen rund um die Welt. Nur eines hat er „geklaut“: Das „Bio Konrads Krusti“, eine Art Baguette-Brötchen, stammt aus der Bäckerei seines Vaters

2019 eröffnete Brantner seine erste Bio-Bäckerei in der Adalbertstraße 25. Die gibt es zwar nicht mehr, dafür zwei neue Standorte: einen in Schwabing, einen in der Münchner Altstadt. Trotz des Kredits war der Anfang laut Brantner kein leichter. Das erste Jahr lief träge, der Erfolg stellte sich nur langsam ein. Der Durchbruch kam schließlich infolge der Corona-Pandemie. „Dann ging es richtig durch die Decke“, sagt Brantner, „die Leute konnten ja eigentlich nur raus, um Lebensmittel einzukaufen. Der Besuch bei uns war quasi ein Erlebnis.“ Er habe zudem das Gefühl, dass sich die Menschen seither mehr für Lebensmittel interessieren und diese bewusster wählen. Einen gewissen Anteil an Brantners wachsender Popularität hat wohl auch sein Instagram-Account. Die Bilder, Reels und Storys rund um das Brothandwerk begeistern mittlerweile mehr als 20.000 Follower.

Zwei gebackene Brote

Bloß nicht langweilig: Brantner legt großen Wert auf originelle Produktnamen, wie „Bio Opa Walters Körnerbrot“, eine Hommage an seinen Großvater

Wie ein Maler nach Vollendung eines Kunstwerks selten zufrieden ist, so empfindet auch Brantner seine Bio-Produkte nicht immer als perfekt. Trotz positiver Rückmeldung seiner Kunden sieht Brantner immer noch Potenzial, seine Bio-Brote zu verbessern. Derzeit testet er ein Brot, das geröstete Bio-Saaten beinhaltet. Dabei hat er sich von einem Kollegen in Freiburg inspirieren lassen, der auch auf moderne Art Brot bäckt. Das Konzept kreativer Backstuben ist im Kommen, authentische Handwerkskunst erlebt eine kleine Renaissance. Das sieht auch Julius Brantner so.

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