Schon Peter Wagner hatte einen beachtlichen Kundenkreis. 1975 übernahm er das von seinem Vater gegründete Schreinerunternehmen und verwirklichte seine Vision anspruchsvoller Innenausbauten. Wer etwas auf sich hielt und es sich leisten konnte, hatte in den 80er-Jahren eine Bauernstube aus dem Hause Wagner. 2006, viele Jahre und Wohntrends später, stand die Schreinerei zum Verkauf. Tobias Waltl sucht zu diesem Zeitpunkt eine neue Herausforderung: Die Theorie seines amerikanischen Wirtschaftsstudiums will er mit einem eigenen Unternehmen umsetzen. Zwar hat der gelernte Bankkaufmann noch keinerlei Erfahrung mit dem Schreinerhandwerk, die Produkte und ihre Fertigung beeindrucken ihn aber sofort. Er kauft das Unternehmen im Alter von 26 Jahren. Sein Studium in den USA führt er nebenbei fort.
Entwickelt hatte sich die Wagner Möbel Manufaktur auch schon vor Waltls Übernahme. Ausrichtung und Abläufe waren aber zum Teil festgefahren. Ein frischer Blick half dabei, Vorhandenes zu hinterfragen – zum Beispiel, ob es sinnvoll ist, Möbel auf fünf Stockwerke verteilt anfertigen zu lassen. Möglichst nachhaltig zu wirtschaften, ist Waltl wichtig. „Er verfügt über einen enormen Weitblick und geht an Herausforderungen auch mal unkonventionell heran. Unser Chef denkt lösungsorientiert und schaut, dass Dinge entsprechend schnell umgesetzt werden“, erklärt Marketingleiter Sebastian Stock. Am jetzigen Standort ließ der Unternehmer 2011 ein neues Gebäude mit Produktionshalle, inklusive 2.200 Quadratmetern Ausstellungsfläche errichten. In der Fertigung setzt Waltl auf die Unterstützung innovativer Technologien.
„Er sieht sich Prozesse an und überlegt, ob sie zukunftsfähig sind. Genau deshalb wollten wir die Produktionslinie automatisieren und auch Roboter einsetzen. In bestimmten Bereichen gibt es Handgriffe, die nicht gerne gemacht werden oder die erleichtert werden können“, sagt Stock. „Ein Beispiel: Eine elf Quadratmeter große Holzplatte ist schwer und unhandlich. Zwar hebt ein Kran diese auf die Fräsmaschine, aber die einzelnen Elemente müssen später zur nächsten Maschine gebracht werden. Macht das ein Mitarbeiter, geht das mit der Zeit auf die Knochen.“
Anfang 2021 entschied sich Waltl, Roboter anzuschaffen. Die LfA hat zwei dieser Automatisierungsvorhaben mitfinanziert: drei Roboter der Firma Kuka sowie eine vollautomatische Lackieranlage. Die Kuka-Roboter heben Bauteile von Maschine zu Maschine. Auch die Lackieranlage erspart Arbeitsschritte: Bevor sie in Betrieb ging, brauchte es zwei Leute, um die Bauteile nach der Grundierung noch einmal zu schleifen – als Vorbereitung für die Endlackierung. Mitarbeiter zu finden, die diese Arbeit 40 Stunden die Woche übernehmen, wird immer schwieriger.
Der gesamte Produktionsablauf wird aufgrund reduzierter Trocknungszeiten deutlich verkürzt und mit der automatischen Wendeanlage erleichtert. Stock betont: „Wir ersetzen dadurch keinen Mitarbeiter. Wir haben eher das Problem, zu wenig Schreiner zu haben. Daher müssen wir unsere qualifizierten Mitarbeiter bestmöglich einsetzen. Ein Schreiner mit langjähriger Berufserfahrung muss hier keine Holzplatten durch die Gegend tragen.“
Heute zählt die Wagner Möbel Manufaktur zu den größten Schreinereien in Süddeutschland, spezialisiert auf hochwertige Inneneinrichtungen. Gefertigt wird sehr individuell, die Konzepte sind exakt auf den Kunden zugeschnitten. Designer bringen ihre Ideen in Freihandzeichnungen zu Papier, bevor die Möbel Schritt für Schritt ihre Form annehmen.
Immer mehr internationale Aufträge werden in Mindelheim gefertigt, dann verschifft und vor Ort montiert. Kürzlich wurde sogar ein Yachtausbau auf Mallorca realisiert. „Speziell bei so einem Projekt braucht man versierte Kollegen und langjährige Mitarbeiter, die viel Erfahrung mitbringen“, fasst der Marketingexperte zusammen.
Darum sorgt der Betrieb auch vor: Aktuell unterstützen zehn Auszubildende das Team in den verschiedensten Bereichen. Denn der Geschäftsführer Tobias Waltl weiß: „Ich kann in Zukunft nur gute Fachkräfte im Betrieb haben, wenn meine erfahrenen Leute ihr Wissen weitergeben.“ Darin und im Einsatz innovativer Technologien sieht der 42-Jährige Potenzial, konkurrenzfähig und Mitstreitern vielleicht auch mal einen Schritt voraus zu sein.