Prozesse bestmöglich aufeinander abstimmen: Das mag Alexander Gourguis. Der gelernte Industriemeister war viele Jahre lang für das Optimieren von Arbeitsabläufen zuständig. Wie er seine Berufung dann doch im Kaffee fand? „Schuld” daran waren seine Freundin Andrea und ein gemeinsamer Städtetrip nach Berlin 2013. Mit im Gepäck hatten die beiden einen Kaffeeführer für die Hauptstadt. Im ersten Frühstückslokal empfahl der Barista einen Kaffee aus Panama. Die Frage, wie er diesen denn zubereiten dürfe, überforderte Gourguis. „Bis zu diesem Moment habe ich einfach gern Kaffee getrunken, mehr aber auch nicht.” Die Tasse, die man ihm vorsetzte, offenbarte ein völlig neues Geschmackserlebnis und inspirierte ihn dazu, tiefer in die Welt des Kaffees einzusteigen.
Ein Nebenjob in der Kaffeemanufaktur Weber in Kempten verhalf Gourguis anschließend zu ersten Erfahrungen mit dem Rösten. In seinem eigenen kleinen „Versuchslabor” fing er an, verschiedene Zubereitungsarten zu testen, und fand immer mehr Spaß an der Sache. Im August 2016 kam dann eins zum anderen: Über die Vermittlung des Kaffee-Röstmaschinen-Services erwarb der Wiggensbacher einen gebrauchten Trommelröster, auf der Suche nach einem geeigneten Stellplatz dafür berichtete ihm ein Freund nur wenige Wochen später von einer Lagerhalle im örtlichen Gewerbegebiet. Mit dem Equipment wuchs auch der Wunsch, eine eigene Kaffeerösterei zu eröffnen, beständig. Schließlich setzte Gourguis alles auf eine Karte und machte sich selbstständig. Eine mutige Entscheidung, zumal er ein paar Monate zuvor Vater eines Sohnes geworden war. Doch Freundin und Familie stehen hinter ihm.
„Anfangs hatte ich nichts außer dem Trommelröster, den ich von meinem privaten Geld gekauft hatte”, erzählt der 38-Jährige. Eine alte Kaffeemaschine mit zwei Mühlen erweiterte bald sein Inventar. „1.600 Euro habe ich dafür bezahlt, das weiß ich noch wie heute. Die musste ich komplett herrichten, aber ich konnte meinen Kaffee verkosten.” Um die Sache ins Laufen zu bringen, waren jedoch noch mehr Zubehör und natürlich Rohkaffee nötig. Die erste Warenlieferung kostete knapp 9.000 Euro, da brauchte es Rücklagen. Der Allgäuer mit ägyptischen Wurzeln war schon immer gut vernetzt und so half auch diesmal ein Freund, der ihn zur Beratung der Raiffeisenbank vermittelte. Mit einem Businessplan in Händen und dem Ziel, seine eigene Rösterei aufzubauen, klar vor Augen, stellte Gourguis sein Vorhaben vor. „Der Bankberater merkte schnell, dass ich für meine Idee brenne, und leitete eine Förderung über die LfA in die Wege”, erinnert er sich.
Die Anfangszeit verlangte dem Unternehmer einiges ab, trug aber maßgeblich zu seiner Entwicklung bei: „Es ist wichtig, sich hohe Ziele zu stecken und daran zu arbeiten.” Gourguis besuchte Fortbildungen bei Latte-Art-Weltmeister Christian Ullrich und dem österreichischen Kaffeemeister Goran Huber. Er experimentierte weiter, testete unterschiedliche Rösttemperaturen und -zeiten, um den ursprünglichen Geschmack des Rohkaffees herauszuarbeiten. „Bei vielen Kaffeeanbietern wird Kaffee nur nach Preis gekauft. Was das für ein Kaffee ist und was er kann, ist egal. Er wird dunkel geröstet und fertig”, erklärt er.
Damit sich jeder Kaffee perfekt entwickeln kann, röstet Gourguis sortenrein, erst dann wird gemischt. Der Vorgang ist zeitintensiver, belohnt aber mit außergewöhnlichen Aromen. Seine Mischungen erstellt er nach den Eigenschaften der Bohnen. Eine sehr säurearme zum Beispiel, mit Kaffee aus Brasilien und Indien, weil der von Natur aus wenig Säure hat. Es entsteht ein Kaffee, der schokoladig und nussig schmeckt. Gourguis speichert all seine Röstungen in einem eigenen Programm, der Röst-Software „Cropster”. Anhand der Aufzeichnungen generiert er am Monatsende einen Produktionsbericht. Der zeigt ganz genau, wie viel Rohkaffee eingesetzt und wie viel gerösteter Kaffee in den vier Wochen produziert wurde. Im Moment sind es um die 800 Kilogramm.
„Für die Kaffeesteuer muss ich monatlich 1.500 bis 2.000 Euro auf der Seite haben – 2,19 Euro pro geröstetes Kilo”, erklärt der Geschäftsmann. Geröstet wird immer nur so viel, wie tatsächlich gebraucht wird. Dafür hat er ein einfaches, aber effizientes System entwickelt. Pro Kaffeesorte sind zwölf Eimer in Umlauf. Ist einer davon leer, kommt das Etikett an die Magnettafel hinter der Röstmaschine. Befinden sich sechs Karten der gleichen Sorte am Produktionsboard, wird nachgeröstet.
Aber nicht nur das Handwerk, auch die Wirkung nach außen muss stimmen. Dafür holte sich Gourguis Unterstützung von Marketing-Fachmann Matthias Hiller. Gemeinsam erarbeiteten sie ein stimmiges Konzept. Abgeleitet von Urschwarz – eine Wortschöpfung aus Ursprung und Schwarz –, entstand die Marke Purschwarz inklusive eigenem Online-Shop. Anfang August 2017 ging dann die erste Packung Kaffee über die Verkaufstheke. Und findet Anklang. In der Lagerhalle gibt es auch eine kleine Kaffeebar. Mittags bereitet entweder Gourguis selbst oder Freundin Andrea Kaffeespezialitäten zu.
Die Herkunft und Qualität der Produkte spielen auch da eine große Rolle.Wo immer es möglich ist, setzt Purschwarz auf Regionalität, arbeitet mit ansässigen Marken wie dem Allgäuer Alpenwasser und der Allgäuer Hofmilch zusammen. Ein großer Wunsch ist es, den Kaffee in den nächsten Jahren ganz auf „Direct Trade” umzustellen – also ohne Zwischenhändler und unabhängig vom Marktpreis gehandelt. Nur dann erhalten auch die Kaffeebauern einen fairen Preis für ihre Ware. „Ob ich das zu hundert Prozent erreiche, kann ich nicht sagen. Aber ich möchte darauf hinarbeiten”, so der Familienvater.
Laufkundschaft ist im Gewerbegebiet zwar selten, aber wer Purschwarz-Kaffee schätzt, findet seinen Weg in die Rösterei. Bald soll auch eine Verkostung, ein „Open Cupping”, das Angebot für Kaffee-Interessierte erweitern. Im April hat Gourguis seinen ersten Mitarbeiter eingestellt. Der Australier Kai ist sozusagen seine rechte Hand, entlastet und vertritt ihn in allen Bereichen seines Unternehmens. Vervollständigt wird das kleine Team von Andreas’ Vater, der tatkräftig im Lager und beim Versand assistiert. „Ich freue mich jeden Tag, dass ich die Möglichkeit hatte, meine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Ich habe die Chance genutzt. Das kann ich jedem mitgeben, der vor dieser Entscheidung steht.”