Im Gespräch: Felix Haas und Autor Stefan Ruzas
Menschen

„Machen, einfach machen“

Felix Haas kennt sich mit der Gründung von Unternehmen aus. Als Gründer von IDnow, Investor und Business Angel – und als Veranstalter von Deutschlands größter Gründer­konferenz Bits & Pretzels
Interview: Stefan Ruzas

Wie gelingt die erfolgreiche Gründung eines Unternehmens, Herr Haas?
Mit einem guten Team, richtigem Timing, dem Glück des Tüchtigen und einem Blick für eine Marktlücke. Wenn sich zum Beispiel eine Industrie grundlegend verändert und durch neue Technologien Zugänge zum Kunden neu gestaltet werden und andere Produkte ermöglichen. Ohne das Smartphone gäbe es keine Firmen wie Uber, Lieferando oder Instagram.

An welchen Hürden und Defiziten scheitern Gründungen denn meistens?
Es sind so viele Leute gescheitert, weil sie mit dem richtigen Team und dem richtigen Kapital zu früh oder zu spät dran waren. Timing ist also immens wichtig. Manchmal ist ein Gründerteam auch nicht komplementär genug, um sich mit Fähigkeiten zu ergänzen. Außerdem gibt es in Deutschland die Tendenz, Ideen nicht ambitioniert genug zu finanzieren, also mit zu wenig Geld.

Bits & Pretzels-Gründer Felix Haas

Felix Haas

Gründer von IDnow, Investor, Business Angel und Veranstalter von Deutschlands größter Gründerkonferenz Bits & Pretzels

Was ist auf dem Weg in die Selbstständigkeit denn wichtiger: eine Chance zu erkennen oder den Mut zu haben, sie auch umzusetzen?
Der Mut zur Umsetzung. Eine Idee allein ist nichts wert. Deswegen macht es auch keinen Sinn, Ideen für sich zu behalten. Viele machen den Fehler, darüber nicht sprechen zu wollen. Meine Erfahrung ist: mit allen die Idee diskutieren, insbesondere mit möglichen Kunden.

Und wie schützt man sich vor Ideenklau?
Durch Umsetzung. Einer hat das Auto erfunden, trotzdem gibt es Dutzende Hersteller von Autos. Ausnahmen sind vielleicht spezielle, geheime Patente im Hightech­Bereich oder in der Biotechnologie. Aber 99 Prozent der Gründungen haben nun mal keine magischen Erfindungen. Da geht’s ums Machen.

Welche Charaktereigenschaften braucht es, um sich als selbstständiger Unternehmer behaupten zu können?
Hartnäckigkeit. Die spannenden Sachen sind nämlich immer schwer. Das sind immer die, bei denen einem alle sagen, dass sie nicht funktionieren. Sachen, die einen an den Punkt bringen aufzugeben. Als Gründer bin ich im Management der Identitätsüberprüfungsplattform IDnow mit Sitz in München. Wir haben zwei Jahre gebraucht, bis wir die Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatten. Genauso ging es uns als Veranstalter der Gründerkonferenz Bits & Pretzels. Zwei Jahre lang haben wir auf allen Kanälen versucht, Barack Obama als Redner zu engagieren. Ende Juni kam seine Zusage. Außerdem braucht’s Überzeugung und Begeisterungsfähigkeit. Wie sonst überzeugt man die ersten Mitarbeiter, Verträge zu unterschreiben für ein Drittel des Gehalts, das es bei Siemens oder Google gibt? Eine gewisse Naivität, gepaart mit purer Neugier, schadet auch nicht.

Worauf sollten Unternehmensgründer bei der Finanzierung achten? In welcher Phase beginnt die Suche nach Wagniskapital und wann empfiehlt sich der Startkredit der LfA Förderbank Bayern?
Die Finanzierungslandschaft ist in Deutschland zum Glück ja mittlerweile ganz schön breit. Früher war das ein Trauerspiel, mit wenigen Venture-Capital- Firmen und einigen unerfahrenen Business Angels. Wir haben noch keine US-amerikanischen Verhältnisse, aber da hat sich schon viel getan. Auch bei öffentlichen Förderbanken wie der LfA. Gründer sollten nicht den Fehler machen, zu sehr auf die Bewertung zu schielen und da immer weiter zu optimieren – aus Angst, zu viel abzugeben. Entscheidend ist, den richtigen Partner an Bord zu haben. Lieber habe ich ein Prozent an Shell als 100 Prozent an einer Tankstelle.

Und der Partner? Wie kommt man auf den richtigen?
Gehen Sie auf Gründertreffen und informieren Sie sich. Sprechen Sie mit möglichst vielen Leuten, vor allem mit anderen Gründern, die gewisse Investoren haben, und bitten Sie um deren Erfahrung. Gründer helfen anderen Gründern meistens gerne, sie machen Türen auf, stellen Verbindungen her.

Felix Haas und Autor Stefan Ruzas im Gespräch

Unter sich

Felix Haas erklärt Autor Stefan Ruzas, was es braucht, um erfolgreich zu gründen

Wie findet man gerade in der Startphase tatsächlich die richtigen Mitarbeiter?
Meine Erfahrung zeigt: Gerade in dieser Phase sind Ehrgeiz und Ambition wichtiger als Erfahrung. Ich verspreche meinen Leuten, dass sie bei mir nach fünf Jahren weiter sind als nach 30 Jahren in irgendeinem Konzern. Neugründungen sind Turbo-Erfahrungskanonen. Aber dafür braucht man auch Leute, die anpacken und brennen. Ruhephasen inklusive. Da geht es ja auch um den Mut, Neues zu wagen. Erfahrung kann so was eher verhindern.

Schon seit Jahren werden in Deutschland immer weniger Firmen gegründet. Laut Statistischem Bundesamt waren es 2018 bundesweit noch 542.500, also wieder ein Rückgang von 1,3 Prozent. Woran liegt das?
Wir sind kein Gründerland. Leider. Deswegen machen wir ja auch Bits & Pretzels. Wir wollen motivieren und inspirieren. Meiner Meinung nach haben wir hierzulande nämlich ein Motivationsproblem. Wir ruhen uns auf unserem Wohlstand aus, wir meckern, sind unzufrieden und versäumen es, Neues aufzubauen. Wann wurden denn die meisten Dax-Firmen gegründet? Doch nicht in den vergangenen 20 Jahren.

Neugründungen sind Turbo-Erfahrungs-Kanonen. Aber dafür braucht man auch Leute, die anpacken und brennen

Wo soll die denn herkommen, die Motivation?
Andere Erfolgsgeschichten inspirieren. Wir haben ja kein Problem des Fachwissens oder der Möglichkeiten. Es geht um einen neuen Spirit und darum, uns die Angst vor Fehlern zu nehmen. Wir Deutschen suchen und finden gerne Fehler, und wir zeigen gerne auf diejenigen, die Fehler machen. Dadurch entsteht aber noch mehr Angst.

Nur jede fünfte Unternehmensgründung hat wirtschaftlich auch Relevanz, zumindest mit Blick auf Rechtsform und Mitarbeiterzahl. Haben wir verlernt, groß zu denken?
Haben wir. Stellen Sie sich mal vor, die Herren Linde oder Siemens hätten nicht groß gedacht. Wir brauchen neue große Firmen wie Zalando. Wir brauchen einen Ruck. Wir brauchen das Große und Disruptive, um weltweit auch künftig eine Rolle zu spielen.

Wie kann denn die Politik Gründern am besten helfen? Die Staatsregierung in Bayern hat ja eine ganze Reihe von Initiativen gestartet: vom Digitalen Gründerzentrum in Günzburg über den Zukunftscampus in Ingolstadt bis zum Internet-Angebot Gründerland Bayern.
Der Einfluss der Politik ist, ehrlich gesagt, begrenzt. Keiner wird eine Firma gründen, nur weil Politiker das toll finden. Es gibt aber durchaus sinnvolle Maßnahmen, die wirklich helfen. Zum Beispiel Exist, ein Förderprogramm des Bundes für Existenzgründungen aus der Wissenschaft. Oder die BAFA-Zuschüsse für Business Angels. Aber auch da gilt: größer denken. Wenn es bei uns ein Förderprogramm für 50 Millionen Euro gibt, sind es in den USA gleich fünf Milliarden.

Welche Rolle spielt bei der Umsetzung einer Geschäftsidee denn die aktuelle Wirtschaftslage – vom Handelskrieg zwischen den USA und China bis zum Brexit?
Die erfolgreichsten Firmen werden in Zeiten von Abschwung und Krise gegründet. In guten Zeiten kann das ja jeder, weil’s cool oder modisch ist. Aber wer es in schwierigen Zeiten versucht, hat weniger Konkurrenz, kommt günstiger an Mitarbeiter und hat höhere Erfolgschancen.

Sie selbst denken ja gerne groß: Sie sind einer der Veranstalter von Bits & Pretzels, Deutschlands größter Gründerkonferenz, die seit 2015 parallel zum Oktoberfest in München stattfindet. 2019 dabei: der frühere US-Präsident Barack Obama und Hollywood- Star Jessica Alba. Wie hilft Ihre Konferenz Gründern?
Wir liefern drei Dinge. Erstens: Inspiration durch Erfolgsgeschichten. Zweitens: Networking mit vielen spannenden Leuten vor Ort. Drittens: Lernen auf unseren Sessions oder in unserer Academy. Da geht es dann 45 Minuten lang um wichtige Fragen wie: Wie finde ich einen CTO? Wie geht Online-Marketing?

Sprechen Sie alle Gründer an oder vor allem Start-ups?
Wir haben rund 5.000 Teilnehmer, von denen natürlich die meisten Gründer im Digitalbereich sind. Aber da sind wirklich alle – vom Studenten bis zum Flixbus- oder Zalando-Gründer. Die Mischung macht’s.

Folgt die Gründung eines Start-ups denn anderen Gesetzen als die einer herkömmlichen Firma?
In meiner Definition ist ein Start-up eine Gründung, die auf starkes Wachstum in kurzer Zeit ausgerichtet ist. Das heißt aber keineswegs, dass ein Existenzgründer, der das Ziel hat, eine Firma ganz langsam aufzubauen, deswegen schlechter ist. Jeder Mut, jedes Risiko, jede Lust am Aufbau ist wunderbar!

Felix Haas

Er kennt sich mit der Gründung von Unternehmen aus

Felix Haas im Gespräch mit dem LfA Magazin

Sie selbst haben – neben Ihrem Engagement als Investor – schon zwei Unternehmen erfolgreich gegründet: die Event-Plattform Amiando und IDnow. Die erste haben Sie an Xing verkauft, bei IDnow sind Sie seit Mai nach einer Phase des Rückzugs wieder selbst an Bord. Sind Gründer schlussendlich doch die besten Manager ihrer eigenen Firmen?
Jein. Gründer haben den Vorteil der Gründer-Energie, diese oft unkonventionelle Art, Sachen aufzubauen, ohne allzu viele Normen und Standards. Der Nachteil ist das Unstrukturierte. Führungspersonen sind gut für Strukturen und Prozesse. Bei IDnow ist die Entwicklung einfach spannend. Wir haben neue Manager, wollen die Firma aber jetzt als Team richtig groß machen: mehr als 100 Millionen Euro Umsatz jährlich, mehr als eine Milliarde Menschen, deren Identität mit unserer Technologie verifiziert wird. Ob bei Banking, Gaming, dem Ausleihen von Autos oder E-Scootern oder anderswo. Wir wollen da die weltweit Besten werden. Idealerweise in Echtzeit. Am Ende muss dieser Identitätscheck so schnell gehen, dass es der Kunde gar nicht merkt.

Hatten Sie bei Ihren Gründungen eigentlich jemals Bedenken oder vielleicht sogar existenzielle Sorgen?
Natürlich lief nicht immer alles glatt. Von außen schaut vieles einfacher aus, als es ist. Es gab viele Momente und Rückschläge, in denen ich als Gründer nicht wusste, ob es wirklich weitergeht. Wenn plötzlich ein wichtiger Mitarbeiter kündigt oder eine Investorenrunde zu platzen droht. Da hat mich dann halt zu Hause meine Frau in den Arm genommen. Existenziell waren die Sorgen nicht, weil ich ein abgeschlossenes Elektro- und Informationstechnik-Studium habe und bestimmt irgendwo einen Job gefunden hätte. Entscheidend ist, dann zu Höchstform aufzulaufen und als Team zusammenzubleiben. Wenn alles im Matsch ist, kann ein heftiger innerer Drang entstehen.

Was war Ihr größter Fehler, den Sie bei einer Gründung gemacht haben?
Amiando haben meine Kollegen und ich viel zu früh verkauft. Und bei manchen Mitarbeitern, die nicht die richtigen waren, war ich vielleicht nicht konsequent genug.

Gibt es in der Gründungsphase eigentlich einen entscheidenden Moment, in dem Sie spüren: Ja, das Konzept geht auf?
Wenn du in der Küche stehst und an deinem Handy rumspielst und plötzlich die Mail liest: „President Obama has accepted your invitation.“ Oder als die BaFin uns schrieb: „Hiermit bestätigen wir Ihnen die Konformität des IDnow- VideoIdent-Verfahrens.“ Das sind Momente, die sind einfach nur genial.

Mit welchem Satz oder welchem Tipp machen Sie Gründern am liebsten Mut?
Machen, einfach machen.

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