Durch einen Hinterhof und über eine dunkle Holztreppe geht es in den zweiten Stock des Rückgebäudes in München- Sendling. „Türe einfach öffnen“ steht auf einem Blatt Papier am Eingang. Dahinter überrascht ein Büro, das genau so ist, wie man sich ein Start-up vorstellt: Den Mittelpunkt bildet die puristisch eingerichtete Empfangshalle mit Tischtennisplatte, Kicker und Basketballkorb, von der eine kleine Küchennische, Büroräume und ein großer Konferenzraum abgehen. Jede Menge bunte Post-its zieren die Wände. Es ist angenehm ruhig, die Mitarbeiter arbeiten konzentriert an den Schreibtischen. Seit Anfang des Jahres sitzt Happybrush in den Räumen unweit der Münchner Theresienwiese. Im neuen Büro ist Platz für 30 Personen. Das war Stefan Walter und Florian Kiener wichtig. Die Geschäftsführer beschäftigen derzeit 15 Mitarbeiter, weitere sollen folgen.
Die beiden Unternehmer haben noch viel vor. Bei einer WG-Party in Frankfurt fiel Walter und Kiener auf, dass viele in ihrem Freundeskreis noch Handzahnbürsten benutzen. Elektrische Zahnbürsten waren den meisten zu teuer, zu umständlich oder einfach zu unattraktiv. Was ja auch stimmte, wie eine Spontan- Recherche zeigte. Warum nicht selbst eine entwerfen? In der Zahnpflegebranche kannten sie sich ohnehin aus – das Erfolgsduo lernte sich bei Procter & Gamble kennen, wo sie im Marketing und Vertrieb unter anderem für Oral-B und blend-a-med tätig waren. Die Betriebswirte kündigten also ihre Jobs und zogen Anfang 2016 nach München. „Wir wollten beide eine Veränderung”, erzählt Walter. Erste Erfahrungen im Gründen sammelte er bereits mit einem früheren Start-up. „Das war wie eine Generalprobe. Die Bausteine bleiben ja die gleichen: Businessplan erstellen, Unternehmenspräsentation für mögliche Investoren ausarbeiten und Prototyp-Produkt vorbereiten. Für Happybrush haben wir die Unternehmensidee zwar geändert, gewonnene Kenntnisse und vorhandene Netzwerkverbindungen aber genutzt“, berichtet der heute 37-Jährige.
Zwei Modelle bietet das Münchner Start-up an, eines mit rotierender Bürste und eines mit Schalltechnologie. Der Unterschied liegt lediglich im Antrieb: Beim elektrischen Modell putzt der runde Bürstenkopf in kreisförmigen Bewegungen, wohingegen der oval geformte Aufsatz der Schallzahnbürste hin und her schwingt und die natürliche Putzbewegung unterstützt. Die Zähne werden also nicht durch Schallwellen gereinigt, wie oft irrtümlich angenommen – die Bürste wird nur über einen elektrischen Schallwandler angetrieben. Anfängliches Kitzeln ist dennoch normal, da sich in der Mundschleimhaut Sinnesrezeptoren befinden, die auf ungewohnte Bewegungen reagieren. Beide Varianten gibt es in edlem Schwarz oder Weiß mit türkisfarbenen Akzenten. Der Preis liegt bei 49,95 und 59,95 Euro.
Was die Happybrushs von anderen Anbietern unterscheidet? Die Zahnbürsten sind mit „smarten“ Funktionen ausgestattet und kommen nachhaltig und hip daher. Die Modelle überzeugen mit einer Akkulaufzeit von drei Wochen bis zu drei Monaten, je nach Technologie und Putzmodus. Die magnetische, flache Ladestation bietet sogar einen USB-Anschluss, um die Bürsten bei einem längeren Aufenthalt im Ausland auch über den Laptop laden zu können. Eine Travel- Lock-Funktion verhindert, dass die Zahnbürste während des Transports versehentlich angeht. Der Umwelt zuliebe werden die Aufsteckbürsten in recycelbarem Karton verkauft und die Happybrush- Zahnpasta ist sogar vegan.
Neu im Sortiment ist die Mundspülung in einer Plastikflasche aus hundert Prozent recycelten Materialien. „Wir wussten von Anfang an, dass wir mit einem Set aus Zahnbürste und Zahnpasta starten und früher oder später noch mehr für die Zahnpflege anbieten wollen“, so Walter.
Von der Entscheidung „Komm, jetzt lass uns das machen“ bis zur Firmeneintragung im Handelsregister vergingen damals nur sechs Wochen, bis zur ersten Finanzierungsrunde weitere zwei Monate. „Rückblickend betrachtet, war das schon mutig und auch ein bisschen naiv. Gleichzeitig war es gut so, um den Schritt überhaupt zu gehen“, sind sich die Gründer einig.
Starthilfe bekamen die frischgebackenen Geschäftsmänner über einen Platz im Accelerator-Programm des Entrepreneurship Centers der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dort erhalten Teilnehmer neben Coaching auch Zugang zu einem großen Netzwerk aus Gründern, Investoren und Partnern. Walter: „Wir haben mit den verschiedensten Leuten über ihren Weg in die Selbstständigkeit gesprochen. Unter anderem mit den Mymuesli-Gründern, die Florian noch aus seiner Studienzeit in Passau kennt. Tipps, wie wir am besten auf den Handel zugehen und den Verkauf vorbereiten können, kamen wiederum von einem befreundeten ehemaligen Einkaufsleiter.“
Außerdem machen die Jungunternehmer drei ihrer Business Angels zu sogenannten Pool-Leadern, die ihnen strategisch beratend zur Seite stehen und auch heute noch dabei sind. Durch die Empfehlung eines befreundeten Start-ups wurden Stefan und Florian auch auf die Existenzgründungsbeteiligung der BayBG aufmerksam und schließlich auf die LfA, die ihr Unternehmen mit einem Universalkredit fördert.
Drei Jahre sind seit dem Start 2016 vergangen, bis Ende Juni 2019 hat Happybrush insgesamt 2,4 Millionen Produkte verkauft. Waren die beiden Gründer im ersten Jahr noch allein aktiv, war das zweite Jahr bereits von der Arbeit mit einem erweiterten Team geprägt – und einem einschneidenden Fernsehmoment. „Mit unserem Auftritt bei der Vox-Gründershow ‚Die Höhle der Löwen‘ wurde es dann ernst”, erinnert sich Walter. Die Ausstrahlung verhalf dem Münchner Unternehmen schlagartig zu großer Aufmerksamkeit. „Im gleichen Jahr wurden unsere Produkte auch bei dm gelistet. Das hat unser Geschäft plötzlich auf ein anderes Niveau gehoben.“ In den kommenden Jahren soll die Firma weiter wachsen, auch international, und das Sortiment noch größer werden. Neben Sondereditionen bestehender Artikel soll es außerdem neue Happybrush-Produkte geben. Gerade arbeitet das Team an einer Kinderzahnbürste mit verbundener App, die mit einem Avatar zum Putzen motiviert.