Unternehmen
FAKTEN
Finanzierung: Investivkredit
Gründungsjahr: 1914
Standort: Regensburg
Geschäftsfeld: Lebensmittel
Mitarbeiter: ca. 70
↳ www.haendlmaier.de
Fotos: Händlmaier
Text: Stefan Ruzas
Die Scharfmacher
Schon in vierter Generation führt Franz Wunderlich die Firma Händlmaier aus Regensburg. Nun hat er die Übernahme einer ganz neuen Firma gewagt
So richtig ist die Senfsaat erst auf der grünen Wiese aufgegangen. Im Gewerbegebiet Haslbach am Rande von Regensburg, um genau zu sein. Aus der Mitte der Altstadt ist der Senfhersteller Händlmaier 1992 einfach hierhin gezogen. Volles Risiko, zunächst 1.200 statt 350 Quadratmeter Produktionsfläche, bei gerade mal 600.000 Euro Jahresumsatz und 15 Mitarbeitern. „Meine Mutter dachte erst, ich sei größenwahnsinnig", erzählt Franz Wunderlich mit einem Schmunzeln. „Aber mir war klar: So schön das auch ist, Senf im Innenhof der Gesandtenstraße zu kochen, wir wären bald weg vom Fenster gewesen."
Heute macht Händlmaier mit mehr als 70 Angestellten rund 28 Millionen Euro Umsatz und produziert Jahr für Jahr auf 9.000 Quadratmetern 10.000 Tonnen süßen Senf. Neben vielen anderen Leckereien: Meerrettich zum Beispiel oder Orangensenf.
Sogar eine komplett neue Firma gehört seit 2017 ins Sortiment: Hot Danas aus Pforzheim mit den, nach eigenen Angaben, „wohl schärfsten Saucen im Universum" der Marken Hot Mamas und Painmaker. Wunderlich hat sie mit strategischem Blick gekauft, weil Grillen trendig und Volkssport geworden ist.
Aber aller Anfang gehört natürlich diesem köstlichen süßen Senf, den die Metzgersfrau Johanna Händlmaier 1914 zum ersten Mal anrührte. Gemahlene Senfkörner, Essig, Zucker und Wasser, mehr brauchte es nicht, um zum Liebling unzähliger Metzger zu werden. Weil der „Händlmaier" eben perfekt zur Weißwurst passt, auch ohne Einzelhandel. Die Senfproduktion wurde mehr und mehr, und 1964 verkaufte die nachfolgende Generation, Sohn Joseph mit Frau Luise, die bis heute das Logo ziert, das Fleischgeschäft, um nur noch in Senf zu machen.
Bei Franz Wunderlich, Jahrgang 1965, war es alles andere als selbstverständlich, dass auch er Nachfolger werden würde. Eigentlich wollte er ja bei seinem Stiefvater in den Treppenbau einsteigen. Ging mit Anfang 20 nach Italien, in die Marmorindustrie nahe Verona. Was aber nicht so seins war. Durch Zufall wurde er da unten Praktikant bei einem Polenta- und Gnocchi-Hersteller. Und plötzlich begann er Gefallen zu finden am Geschäft mit den Lebensmitteln. Er machte den Industriefachwirt und stieg 1990 erst als Prokurist und später als Geschäftsführer bei Händlmaier ein, an der Seite seiner Mutter.
„Tradition hat für mich viel mit Herkunft zu tun", meint Wunderlich. „Aber das hat auch Vor- und Nachteile. Der Vorteil: Eine Basis ist da, mit viel Informationen und Wissen. Man kann als Nachfolger in die Firma reinwachsen. Was aber vielleicht auch einschränkt, weil man nicht einfach etwas komplett Neues anfängt." Ein Generationenwechsel brauche Durchhaltevermögen, erklärt der Mann, der in seiner Heimat mittlerweile auch „Senfkönig" genannt wird. Problematisch wird es vor allem dann, wenn der Senior nicht wirklich loslässt und den Nachfolger zu wenig entscheiden lässt. „Wenn in der Großfamilie eines Betriebs mit Tradition zu viele mitsprechen, kann das nicht funktionieren. Weil Meinungen halt nicht immer übereinstimmen."
Auch bei Händlmaier hat es gedauert, bis Wunderlich das Sagen hatte, als alleiniger Inhaber. Einer, der bis heute der Überzeugung ist, dass „starke Marken wie unsere keine klassische Werbung" brauchen. Dem es aber trotzdem gelungen ist, mit seinem süßen Senf einen Marktanteil von bundesweit 78 und bayernweit sogar 89 Prozent zu halten. Der jetzt auch die Nummer eins beim Meerrettich werden will und sogenannter Komplettsenfhersteller. Rund 800 Gramm Senf isst jeder Deutsche heute pro Jahr.
„Ist ja gut, wenn man Tradition hat", sagt der emsige Nachfolger weiter, „aber man muss auch zukunftsgewandt sein, darf nicht stillstehen." Weswegen er in diesem Jahr eine weitere Marke namens „Mama Chula" lanciert, für Scharfes und Schräges.
Wunderlich, sein Dienstauto ist ein zukunftstauglicher Hybrid-Porsche mit den Initialen „LH" für Luise Händlmaier auf dem Kennzeichen, läuft durch seinen Betrieb. Der Hygiene wegen vorschriftsmäßig in weißer Schutzkleidung. Redet hier, flachst dort und freut sich mit einem seiner Angestellten, der es geschafft hat, mehr als zehn Kilo abzunehmen. Er schaut in der Abfüllanlage vorbei, durch die pro Stunde bis zu 10.000 Gläser mit süßem Hausmachersenf laufen. Und geht in die Halle, in der sein Senfgold in schier endlosen Stahlwannen 24 Stunden lang köcheln muss.
Dann bleibt er vor den zehn Silo-Tanks stehen. 3.500 Tonnen Senfsaat lagern hier. Greift mit seinen Händen in eine Wanne voller trockener Samen und fordert auf, es ihm gleichzutun. Im ersten Moment riechen sie nach wenig. Ein Biss in die gelben und dunkelbraunen Krümel, mild schmecken sie, fast nussig. Erst nach und nach entfaltet sich die scharfe, leicht prickelnde Wirkung der in der Senfsaat enthaltenen Substanz Sinigrin. Den Chef freut’s, immer noch: „Den Senfgeruch habe ich seit meiner Kindheit in der Nase, weil unsere Wohnung direkt über dem Geschäft war."
Noch studiert Wunderlichs Sohn in München Betriebswirtschaft, aber auch er mischt schon manchmal bei Händlmaier mit. Neue Medien, Digitalisierung, Themen mit Zukunft halt. Ist er also die nächste Generation? „Momentan kein Thema", sagt Wunderlich derart bestimmt, dass garantiert kein Druck erkennbar sein kann. Vielleicht findet der Nachwuchs ja auch einen Einstieg über ein ganz eigenes Projekt: Im Jahr 2016 hat Wunderlich mit seiner Immobilienfirma nämlich in der Innenstadt von Regensburg das denkmalgeschützte und immer noch wunderschöne Gloria-Kino gekauft. Und für das gibt es bestimmt irgendwann mal eine zukunftsgewandte Nutzung.