Das erste Modell heißt „Mark“, benannt nach dem Ex-Freund der ersten Praktikantin in der Abteilung für Kommunikation. Das zweite wiederum „Katharina“, es ist der Name der Ex-Freundin von Thomas Kirchner, einem der Gründer von ProGlove. Und ein drittes ist gerade in Planung.
Seit 2016 produziert die Firma aus München intelligente Arbeitshandschuhe für Industrie und Logistik. Sie haben Sensoren, Scanner und neuerdings auch Displays und ermöglichen Arbeitern so nicht nur freihändiges Arbeiten, sondern auch direktes Feedback durch ein optisches, haptisches oder akustisches Signal. Ganz ohne die bislang üblichen Scan-Pistolen, die bei jedem einzelnen Artikel in die Hand genommen und wieder weggelegt werden mussten. Die Scan-Funktion wird nämlich durch Druck auf einen eingearbeiteten Trigger-Knopf im Zeigefinger des Handschuhs ausgelöst. Ein Mix aus Blinken, Piepen und Vibration signalisiert dem Träger des grauen Handschuhs mit dem orangefarbenen Mini-Scanner dann, dass er alles richtig gemacht hat. So einfach also kann die Dokumentation und Prüfung eines Arbeitsschritts sein – in Zeiten von Digitalisierung und Industrie 4.0.
Manchmal braucht es eben nicht mehr als ein mit Technologie kombiniertes Kleidungsstück, „Wearables“ heißt sowas heutzutage, um Abläufe effizienter zu gestalten und Arbeiter zu entlasten. Und zwar ganz erheblich. Pro Dokumentation spare man nämlich zirka drei Sekunden, erklärt ProGlove-Gründer Kirchner. Und das summiert sich schnell.
Bei einem Auto zum Beispiel werden rund 1000 Teile verbaut. Bei 1000 Autos am Tag ergibt sich eine Zeitersparnis von drei Millionen Sekunden. Oder umgerechnet: 833 Stunden. „In der Automobil-Industrie funktioniert das am besten, weil die Sekunde dort am meisten wert ist“, erzählt Kirchner, „aber auch in der Logistik ist Effizienz sowas wie ein Grundbedürfnis.“ Zu den Abnehmern des jeweils rund 1200 Euro teuren Systems gehören mehr als 250 Unternehmen, darunter Audi, Porsche, BMW, Ikea und Rewe. Mehrere Tausend Arbeitsplätze wurden schon mit Wearables von ProGlove ausgestattet. Die Namen der Ex-Freunde sollen übrigens daran erinnern, dass Veränderung ein manchmal unvermeidlicher Teil unseres Lebens ist.
Wie all das angefangen hat? Am Fließband von BMW in München. Dort nämlich hat Kirchners Kollege Paul Günther während seines Studiums der Betriebswirtschaftslehre Besuchergruppen durch die Produktion geführt. Und irgendwann schoss ihm plötzlich die Idee durch den Kopf, wie man Arbeit vereinfachen und effizienter machen kann. Das war im Jahr 2014 und wie der Zufall es so wollte, hatte der US-Technologiekonzern Intel gerade einen Innovationswettbewerb namens „Make it wearable“ ausgeschrieben, mit einem Preisgeld von immerhin fast 250.000 Dollar. Günther begeisterte befreundete Studienkollegen für seine Idee, die damals ganz nebenbei auch schon als Innovationsberater tätig waren: Thomas Kirchner, Alexander Grots und Jonas Girardet.
Für den Wettbewerb bastelten sie übers Wochenende ein simples Modell mit einem Montagehandschuh aus dem Baumarkt und einem MP3-Player als Ersatz für den Scanner. Und prompt gewannen sie.
Also wurde flugs eine Firma gegründet, die bis heute Workaround und nicht ProGlove heißt; schließlich musste Intel das Preisgeld ja irgendwohin überweisen. Nach zwei Finanzierungsrunden haben die Tüftler, die mittlerweile mit 100 Mitarbeitern in ein 4000 Quadratmeter großes Büro in ein früheres Siemens-Gebäude im Münchner Stadtteil Obersendling gezogen sind, 7,7 Millionen Euro Kapital eingeworben. Der von Bayern Kapital, eine Tochtergesellschaft der LfA Förderbank Bayern, verwaltete Wachstumsfonds Bayern ist als Investor ebenso dabei wie Intel Capital, GettyLab und DICP Capital. Und seit kurzem hat ProGlove ein weiteres Büro in Chicago.
„Alles wird gerade digitalisiert, aber überall bleibt der Mensch wichtig. Wir verbinden also eigentlich nur den Menschen mit den Daten“, sagt ProGlove-Manager Kirchner. „Und wir glauben sehr an den Menschen, weil er auch in Zukunft in vielen Situationen nicht nur besser und klüger ist, sondern auch flexibler und günstiger.“
Bei Optimierung und Effizienzsteigerung von Arbeitsabläufen gehe es ja nie darum, dass der Mensch schlecht sei, sondern der Prozess, in den er eingebunden ist. Und da sei künftig noch jede Menge möglich.
„Wir können mit unserer Technologie heute schon erkennen, wie eine Schraube reingedreht wird; ob mit Akkuschrauber, Schraubendreher oder Hand. Man kann also Bewegungsmuster erkennen und das geht auch immer besser. Was man natürlich auch in anderen Bereichen wie der Pflege nutzen könnte.“ Mit hilfreichen Folgen: Heute braucht ein Pfleger nämlich pro Stunde zehn Minuten, um aufzuschreiben, was er gemacht hat. Mit einem Handschuh von ProGlove würde diese Dokumentation wegfallen und der Pfleger hätte zehn Minuten mehr Zeit für seine Patienten.