Kunstkalender 2020 – Kalenderblatt Mai
Der Armreif, den die Schmuckkünstlerin Joohee Han geschaffen hat, ist äußerst filigran. Er kann nur mit großer Vorsicht getragen werden. Sein ultraleichter Körper wird durch die fadendünnen Drähte aus Edelstahl mehr beschrieben als geformt. Schließich stellt sich ein gedankliches Bild ein, wenn das Schmuckstück wie eine sockellose Skulptur, wie eine räumliche Installation auf einer Fläche liegt. „Bubble“ besteht aus miteinander verbundenen Strahlenkränzen in drei unterschiedlichen Strukturen. Bei den beiden größeren ordnen sich die zarten Linien um ein winziges Oval, bei der kleineren sind sie direkt in einem Zentrum miteinander verlötet. Bei der größten Grundform gabeln sich die Strahlen am Ende nochmals, was den filigranen Effekt verstärkt. Die im Sinne eines Armreifs schlauchförmig ein leeres Zentrum umfassende Hülle besteht ausschließlich aus den Strahlenkränzen, deren größere leichte Buckel bilden. Es sind kleine Blasen, die sich zur Meta-Blase zusammensetzen. Das erinnert an natürliche Formen etwa von Meeresbewohnern oder Pflanzen. Das Material Edelstahl ist dabei an sich äußerst robust, haltbar und widerstandsfähig. Das steht im Kontrast zur ephemeren Form des Schmucks. Das Bild wird besonders eindrücklich, wenn wir an Seifenblasen denken, die nur kurze Zeit existieren, bevor sie zerplatzen. Somit kreiert Joohee Han einen produktiven Widerspruch von Form und Material, welchen sie noch erweitert. Denn in einem größeren Kontext steht der Stahl für menschliche Konstruktionen, für stabile Ingenieurleistungen, wie Brücken oder Wolkenkratzer. Joohee Han denkt an Stadtlandschaften, künstliche Gebilde, zu denen das Material gedanklich vermittelt. Die Schmuckform jedoch, die beim Tragen den Körper umgibt und sozusagen räumlich erweitert, erinnert zugleich an die Vergänglichkeit organischen Lebens.
Text: Jochen Meister