Kunstkalender 2020 – Kalenderblatt Dezember
Wie kommt ein Film, in dem eine Hasenfrau die Hauptrolle spielt, zu einem so einsilbigen wie schwergewichtigen Titel? Ganz einfach: Paul Valentin hat seine Arbeit der Frage des „Nichts“ gewidmet. Dreh- und Angelpunkt sind philosophische, aber auch naturwissenschaftliche Überlegungen zu diesem Begriff, der ja ein schwer fassbares Phänomen (oder eben kein Phänomen, also nichts?) bezeichnet. Dazu hat er Texte formuliert, die im Film zu hören sind. Wir sind gemeinsam mit der Häsin, die mit großen Kulleraugen in verschiedene Rollen schlüpft, auf der Suche nach dem Nichts. Wir erleben, wie eine Kiste ausgegraben wird, die Dinge wie eine Taschenlampe oder einen Revolver enthält - Sachen, die auf detektivische Abenteuer hinweisen. Und schließlich gibt es ein Diktiergerät in Form einer Möhre, welches den scheinbar von einem Wissenschaftler gesprochenen Text abspielt. Mittels eines Diaprojektors betrachtet die Häsin dann diese und viele weitere Objekte, während die Stimme des Wissenschaftlers sich dämonisch verwandelt und das Nichts als leer und bedrohlich beschwört.
Paul Valentin hat in seinem gut zwanzigminütigen Film zahlreiche Anspielungen verarbeitet, die aus der intensiven, über zweijährigen Beschäftigung mit dem Thema entstanden sind. Er hat den kompletten Film mittels eines Computerprogramms erstellt. Bei der Figur der Häsin überlagern sich mehrere weibliche Charaktere. Ausgangspunkt ist eine ebenfalls computeranimierte Häsin aus der Disneyproduktion „Zootopia“, die als Polizistin und Detektivin diverse Abenteuer bestehen muss. Diese Grundfigur wurde dann mit Zubehör wie einer Sonnenbrille und szenischen Einlagen versehen, die der bereits in den 90er Jahren erfundenen Figur der Archäologin und Abenteurerin Lara Croft entlehnt wurden. Das Trio in einer Person wird komplettiert durch Anleihen an die FBI-Agentin Clarice Starling aus „Das Schweigen der Lämmer“. Wozu der Aufwand? Paul Valentin kreiert eine vielseitige Agentin, die versucht, dem „Nichts“ auf die Schliche zu kommen. Dies ist wohl die schwierigste aller Aufgaben. Der inzwischen mehrfach prämierte Kurzfilm kommt schließlich zu einer Lösung der Frage, was das „Nichts“ sei. Er löst sie auf mit der Behauptung, die eingangs zitiert wird.
Text: Jochen Meister