Kunstkalender 2020 – Kalenderblatt Januar
Mit dem Einzug des Smartphones in unseren Alltag hat eine mediale Revolution stattgefunden, wie sie wohl einzigartig in der Menschheitsgeschichte ist. Natürlich gab es bereits mit der Erfindung des Drucks eine massenhafte Verbreitung, beispielsweise von Darstellungen berühmter Personen, doch am Anfang stand der Ruhm, dann kam das Bild. Durch das Internet ist das heute anders. Und die Bedeutung des Bildes ändert sich, seit Smartphones und Tablets dank des weltweiten digitalen Netzes einen globalen Bildertausch ohne historischen Vergleich ermöglichen. Tornike Abuladze ist Maler. Seine Auseinandersetzung mit der Technologie der vernetzten Bilder ist in seiner Arbeit „Kim“ sehr deutlich zu sehen. Ausgangspunkt war ein weitverbreitetes Foto der US-amerikanischen Prominenten Kim Kardashian. Mittels eines Computerprogramms verteilte er Ausschnitte der Fotografie auf neun verschiedene Geräte.
Deren Bildschirme wiederum wurden abfotografiert und mittels Sandstrahl- und Siebdruckverfahren auf Spezialgläser im gleichen Format wie die ursprünglichen Smartphones und Tablets aufgebracht. Allerdings wurden die Bilder grob gerastert und in Negative verwandelt. Dieser Verfremdungseffekt wird jedoch aufgehoben, wenn die Installation durch die Kamera eines Handys mit einer entsprechend modifizierten Einstellung betrachtet wird, die das Negativ wieder in ein Positiv verwandelt.
Tornike Abuladze nimmt sich spielerisch den Verwandlungsprozessen an, welche durch die digitale Medialität ermöglicht werden. In der Ausstellung präsentierte er sie sodann in einem technischen Zirkelschluss; die Fragmente auf den neun Glasarbeiten wurden auf dem Smartphone wieder deutlich „lesbar“. Mit Kim Kardashian wählte er kein zufälliges Motiv, sondern die Ikone eines internationalen Promi-Geschäfts, das Status engstens mit Konsum verknüpft - auch dieser Aspekt ist schlüssig, denn erst die immer mitgeführten Smartphones schufen jene allgegenwärtige Symbiose des Privaten mit dem vermeintlich Öffentlichen unter kommerziellen Gesichtspunkten.
Text: Jochen Meister