Kunstkalender 2019 – Kalenderblatt September
Kulturelle Verständigung wird von der in Nürnberg studieren den Koreanerin Migyeong Yun nicht plakativ propagiert. Sie geschieht im menschlichen Rahmen als selbstverständliche Sache. Sie erzählt eine kleine, einfache Geschichte junger Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, die viel mehr verbindet als trennt. Die jungen Frauen sind sich ähnlich, auch wenn die Haarfarben, die Frisuren und die Farben der ansonsten gleichen Kleidung sich unterscheiden. Es werden keine Ethnien dargestellt; es gibt keine folkloristischen Klischees. Die siebzehn Blätter, die sich zu einem Leporello zusammen setzen, sind jeweils eigene malerische Miniaturen. Die Komposition der Bildelemente ist präzise ausgedacht. So betont beispielsweise ein dunkler Streifen als Hintergrund die Handlungselemente der Kanne oder der reisweingefüllten Schalen. Die Pfannkuchen aus Weizen und Kartoffelmehl, belegt mit Lauchzwiebeln, Paprikaschoten und Meeresfrüchten (wie das Rezept verrät), sind Bestandteil eines kleinen Rituals. Doch mit einer gewissen Ironie werden für dieses Ritual auf die Frage der blonden Freundin, warum man denn in Korea bei Regen Pfannkuchen äße, eine poetische und eine rationale Erklärung zugleich angeboten. Die Antwort sei nämlich einerseits, dass der Pfannkuchen beim Backen in Öl prasseln würde, was sich wie Regen anhörte. Andererseits benötigte der Körper bei Regen besonders viele Kohlenhydrate, um den Blutzuckerspiegel zu heben. Letztere Erklärung knüpft schließlich an die Ermüdung vom Beginn der Story an, während das Prasseln der ersteren in den schrägen Regenstreifen im Hintergrund förmlich zu hören ist. Welche Antwort auch immer: In der Schlussszene, die wir abbilden, gibt es dann das interkulturelle Ritual schlechthin zu sehen: den gemeinsamen Trinkspruch.
Text: Jochen Meister
Die Künstlerin
