Kunstkalender 2017 – Kalenderblatt Oktober
Bei beiden Vögeln handelt es sich um ausgestopfte Exemplare. Die künstliche Plastizität der Tierfragmente ist das Resultat einer Langzeitbelichtung mit aufwändigem Einsatz von Blitzlicht aus unterschiedlichen Positionen. Dazu kommt eine Nachbearbeitung am Computer, die Braun als „digitale Totenwäsche“ bezeichnet. Insbesondere der Staub auf dem Gefieder wird entfernt und das Motiv bereinigt. Das tote Tier, vom Präparator nach menschlichen Vorstellungen „verewigt“ als Objekt, wird in der Fotografie ein zweites Mal präpariert und „verdinglicht“. Es wird also gleich doppelt mortifiziert, was eine intensive Auseinandersetzung mit einschlägigen Theorien der Gattung reflektiert, in denen Fotografie als das „tote Medium“ schlechthin bezeichnet wird. Entscheidend für diese Erkenntnis ist letztlich ein Umstand, den man vielleicht zunächst gar nicht wahrnimmt: Die Federn entsprechen nicht denen eines lebendigen Tieres. Das zum Objekt gewordene Tier kümmert sich nicht mehr um deren Ordnung und Pflege. Sie altern in ihrer präparierten Form ganz anders, als sie es am lebenden Organismus würden. Der schwarze Rahmen kann dann naheliegend als ein Trauerrand gesehen werden, während der Titel auf den Fehler hinweist, den man begehen würde, wenn man das (fotografierte) Objekt mit einem Lebewesen gleichsetzte.
Text: Jochen Meister