Kunstkalender 2017 – Kalenderblatt September
Xu Xiaohan hat in seiner Serie Jungle in mehreren Motiven Menschen in der Natur inszeniert, um Bilder für bestimmte Eigenschaften unseres Zusammenlebens fotografisch zu fassen. Die sorgfältig ausgewählte Landschaft ist der Handlungsort, die Bühne für diese Inszenierungen. So nutzt er ein Breitformat, in dem die beiden Figuren vor den umgebenden Bäumen nicht porträtiert werden, sondern als Stellvertreter handeln. Wofür, das bedarf einer motivischen Analyse: Die Leiter stand bei den Überlegungen am Anfang und ihre Benutzung ist eine Metapher für den Aufstieg. Nicht von ungefähr ist die Rede von Karriereleiter. Ebenso hat sich der chinesische Künstler mit der abendländischen Tradition beschäftigt. Er verband die alttestamentarische Episode vom Turmbau zu Babel gedanklich mit dem Motiv der Leiter: Der himmelsstürmende Bau erscheint als hochfliegender Aufstiegsversuch, dessen Hybris in einer Katastrophe oder zumindest Stagnation endet. Es ist wortwörtlich eine Grenzerfahrung, um die es geht. Irgendwann ist Schluss. Währenddessen zieht eine helle Wolke unterhalb des „Gipfels“, auf dem beide Figuren angelangt sind, durch das Bild. Sie verleiht diesem einerseits einen mystischen oder gar magischen Moment, andererseits ist sie wiederum ein Verweis auf die fatale Position, die am Ende das Ziel nur scheinbar erreicht hat. Nicht immer findet sich über Wolken die grenzenlose Freiheit. Schritt für Schritt haben die Figuren sich angenähert, nun gibt es keinen Ausweg mehr. Das eigentliche Ende bleibt offen.
Text: Jochen Meister
Der Künstler
