Mitten in der Schöllanger Dorfidylle, mit Blick auf die Gipfel der Allgäuer Alpen, herrscht reges Treiben. In den Werkstatträumen der Schreinerei Freudig wird gesägt, gehobelt und mit modernen Maschinen Holz in verschiedenste Formen gebracht. Es entstehen individuelle Theken, Wohnküchen und viele andere Möbel und Einrichtungselemente für Hotels, Restaurants und Privathäuser. Die Leidenschaft für den Beruf ist in dem Meisterbetrieb beinahe mit Händen zu greifen – und das seit über hundert Jahren. Johannes Freudig ist die vierte Generation im Familienunternehmen. Der 36-Jährige hat bereits seine Lehrzeit im Betrieb absolviert und wächst jetzt in die Aufgabe der Geschäftsführung mit hinein. Gegründet wurde die Schreinerei von seinem Urgroßvater Max: 1917 richtet sich der Landwirt im Kuhstall eine Werkstatt ein, um kleinere Reparatur- und Schreinerarbeiten rund ums Haus zu erledigen. Seine Arbeit mit Holz entwickelt sich beständig weiter, bis sie schließlich die Landwirtschaft ganz ersetzt. Auch seine Söhne arbeiten im Betrieb und geben ihn später innerhalb der Familie weiter.
Heute leitet Helmut Freudig, Johannes’ Vater, mit seinem Cousin Mathias die Geschäfte. Diese Konstellation bleibt bestehen, denn auch bei Mathias Freudig steigt demnächst der Sohn in die Geschäftsführung ein. Der Einmannbetrieb ist so über die Jahre zum innovativ-modernen Unternehmen mit 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewachsen. „In den Anfängen war es eher eine Bau- und Möbelschreinerei. Ab der Generation meines Vaters hat sich das weiterentwickelt. Heute verantworten wir gehobenen Innenausbau – sehr individuell und hochtechnisch“, erklärt Johannes Freudig. Massenprodukte fertigt die Schreinerei keine: „Lieber machen wir das eine besondere Möbelstück. Wir sind gut darin, Highlights zu setzen.”
Das Unternehmen hat sich auf den Objektbereich Hotellerie spezialisiert, denn gerade in Bereichen wie Rezeption, Bar und Restaurants braucht es Blickfänge. „Für ein Hotelprojekt vor Ort haben wir aus massiven Teilen eine Theke in organischer Form gefräst. Schon für die Formfindung wurden Modelle am 3D-Drucker geplottet und danach konstruiert. So etwas macht man nicht alle Tage“, erinnert sich Freudig. 2019 erwirbt die Schreinerei außerdem den Fensterbaubetrieb Schittler und investiert in moderne Anlagen und Technologien. Ein kluger Schachzug: Das neue Geschäftsfeld Fenster und Türen ergänzt den Innenausbau, und die Firma ist in der Lage, schon in der Rohbau- oder Sanierungsphase einen Fuß in spannende Projekte zu bekommen und den Kunden ein umfassenderes Angebot zusammenzustellen.
Möglich macht die Übernahme der Investivkredit der LfA. Freudig: „Um unsere Pläne umsetzen zu können, haben wir uns umgesehen, welche Finanzierungsmöglichkeiten sich anbieten. Da sind wir auf das Förderangebot der LfA gestoßen. Einen sehr hilfreichen Beratungsservice für Unternehmen bietet auch die Handwerkskammer. Die Ansprechpartner kommen vom Fach und geben eine umfassende Einschätzung, was sinnvoll ist und wie finanziert werden könnte – zum Beispiel, wenn eine neue Maschine angeschafft werden soll.“
Dass Johannes Freudig den Beruf des Schreiners wählte, scheint naheliegend: Nicht nur der Vater, auch die Mutter ist Schreinermeisterin sowie beide Großväter. „Ich bin in der Schreinerei groß geworden, auch meine Mutter hatte eine. Die habe ich vor ein paar Jahren umgebaut und neu gestaltet. Jetzt ist sie gewissermaßen im Freudig-Unternehmen integriert.“ Entstanden ist der „Gute Raum“, Küchenstudio und Event-Location in einem und zugleich das zusätzliche Einzelunternehmen des jungen Schreinermeisters. „Mein Wunsch war ein Showroom, der auch genutzt wird: Die Geräte kann man ausprobieren und es finden Veranstaltungen statt.“ Schreiner war jedoch kein Berufswunsch, den Freudig seit jungen Jahren verfolgte. Erst in der Lehrzeit merkt er, dass ihm die Arbeit liegt und Spaß macht: „Gefallen hat mir schon immer der kreative Teil – das Gestalten und Verwirklichen meiner Ideen. Das haben wir in der Geschäftsleitung wohl alle gemeinsam, unseren manchmal verrückten Ideen Gestalt geben zu wollen.“ Dabei unterstützt ein kompetentes Planungsteam. Eines, das nicht nur ans Holz, sondern auch an die anderen Gewerke denkt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leiten und koordinieren die Projekte und nehmen so auch mal den Architekten ein Stück weit Arbeit ab. „Wir können sehr viel grafisch visualisieren, am Computer mit 3D-Simulationen und Renderings. Das etabliert sich mittlerweile in der Branche. Außerdem können wir mit CNC-Technik – ein elektronisches Verfahren zur Steuerung von Werkzeugmaschinen –, Lasertechnik und 3D-Druckverfahren noch viel weiter gehen. Das ist eher untypisch für eine Schreinerei und zeichnet uns aus, genauso wie die flexible Fertigung.“
Mit welchen Hölzern gearbeitet wird, ist von Projekt zu Projekt verschieden. Neben den Vorstellungen der Kunden spielen auch Zeitgeist und aktuelle Trends eine Rolle. In der Region wird viel mit Tanne gefertigt, einem zeitgemäßen Holz, das sich für die moderne Architektur eignet. Auch die Eiche als hartes, dankbares und vielseitiges Holz ist aus vielen Aufträgen nicht mehr wegzudenken. Auf dem Vormarsch ist die Esche mit ihrer eher schlichten Maserung und natürlich ist auch immer wieder traditionelles Altholz gefragt. Um all die verschiedenen Vorhaben auch umsetzen zu können, braucht es ein gutes Team. „Von meiner Lehrzeit bis heute hat sich unser Handwerk extrem gewandelt – die Technisierung an den Geräten hat zugenommen und auch die Vorproduktion ist immer mehr maschinengestützt“, so Freudig. „Handwerklich muss aber immer noch der gleiche Part geleistet werden, es ist dadurch nur viel mehr möglich geworden. Ich sehe es als Fortschritt, dass man nicht mehr alles von Hand erledigen muss, sondern dass gewisse Arbeitsgänge auch Maschinen abnehmen und leisten. Es gibt ja auch Arbeiten, die man nicht so gerne macht.“ Gut ausgebildetes Fachpersonal, das mit diesen Maschinen arbeiten kann, ist natürlich trotzdem wichtig. „Wir haben schon relativ wenige Leute, die ihre Lehre vollenden und im Beruf bleiben, weil die Industrie vermeintlich noch mehr bieten kann. Aber die Liebe zum Beruf und zum Handwerk, die braucht es. Und wir brauchen Lehrlinge und die Gesellen von morgen, um unsere Arbeit auch in Zukunft umsetzen zu können. Das Personal wird für mich die herausforderndste Entwicklung in der Zukunft.“
Der Trend, positiv wie negativ, geht auch in Richtung umfassendere Planung und Verwaltung. Hat früher der Chef eines Unternehmens allein seine Schreiner und Aufträge organisiert, ist das heute oft nicht mehr möglich. „Es ist aber auch eine Chance, dass wir durch starke Planungsteams Gewerke übergreifend mehr anbieten und organisieren können. Dass wir uns nicht nur auf die Schreinerarbeiten stützen, sondern sagen, wir können Kunden auch bei Fußböden, bei der Lichtplanung, bei Verputz- oder Malerarbeiten unterstützen.“ Technisch stehen daher noch ein, zwei Dinge auf der Wunschliste. Eine neue CNC-Bearbeitungsanlage zum Beispiel. Mit der könnten noch andere Geschäftsfelder erschlossen und vielleicht für größere Hotelprojekte eine sorgenfreie Abwicklung ohne Zulieferer umgesetzt werden. Noch größer soll das Unternehmen aber erst mal nicht werden. „Wir sind bei einer Größe angelangt, die sich gut leiten lässt.“ Das Ziel ist jetzt, beständig zu bleiben und den Namen immer mehr zu etablieren, um so Arbeit und damit auch Arbeitsplätze zu sichern.