Nein, die FIT Additive Manufacturing Group ist nicht zu verfehlen. Wie eine Trutzburg ragt das 2017 in Betrieb genommene Verwaltungsgebäude im Gewerbegebiet Lupburg-Parsberg in den Oberpfälzer Himmel. Sechs Stockwerke zählt der markante Bau, dessen Innenleben ein Atrium birgt, das über die gesamte Höhe reicht.
Und ganz oben residiert der Burgherr, Unternehmensgründer und Vorstandsvorsitzender Carl Fruth. Es ist nicht leicht, sich in seinem Büro zu entscheiden, wovon man mehr beeindruckt ist: vom weiten Blick über die hügelreiche Landschaft, die auch „Kuppenalb“ genannt wird. Oder von der Einrichtung, in der sich moderne Kunst, Möbelklassiker, eine goldene Wand und der dunkelblaue Hochflorteppich auf wundersame Weise zu einer Einheit fügen.
Wenn man die FIT AG kennenlernen und verstehen möchte, ist es sinnvoll, zuerst Carl Fruth zu besuchen. Denn er verkörpert die FIT AG. Es gibt keinen noch so kleinen Arbeitsprozess, den er nicht bis ins Detail kennt, keinen Mitarbeiter, den er nicht mit Namen begrüßen könnte. Und keine weltweite Innovation im 3D-Bereich, deren potenziellen Mehrwert er nicht analysiert hätte. Es ist auch kein Zufall, dass der Firmenchef einen karierten Anzug trägt. Der übliche Spitzenmanager-Konformismus ist ihm, wie man hier in der Region sagt, „völlig wurscht“.
Der Erfolg des 55-Jährigen basiert darauf, dass er schon immer die Leidenschaft und den Mut hatte, ausgetretene Pfade zu verlassen, Prozesse zu hinterfragen und sie dann völlig neu zu gestalten. „Es interessiert mich nicht, wie etwas gemacht wird“, sagt Carl Fruth, „sondern, wie etwas optimal gemacht werden könnte.“
Der Begriff „Trutzburg“ trifft es also ganz gut. Mittelmäßigkeit und Konventionen bleiben draußen, vor dem imaginären Burggraben. Und, um das kurz zu ergänzen, der Anzug von Carl Fruth hat natürlich große Karos. Denn Kleinkariertheit gibt es hier nicht. Es wird nicht auf Sicht gefahren, sondern sozusagen mit einem hochleistungsfähigen Fernlicht.
Bleiben wir noch kurz beim Firmenchef. Die Historie ist wichtig, um den Erfolg der FIT AG zu verstehen. Ganz im amerikanischen Stil gründete Carl Fruth sein Unternehmen 1995 in einer Garage in seiner Heimatstadt Parsberg, nur zwei Kilometer vom heutigen Hauptstandort entfernt. Während seines Studiums in München war er mit der CAD-Technik in Berührung gekommen. Die ist wiederum die Basis für Additive Fertigung, der er sich fortan intensiv widmete.
Es ist an der Zeit für eine Begriffsklärung: „Additive Fertigung” wird gemeinhin auch als 3D-Druck bezeichnet. Die FIT AG ist aber nicht auf Massenfertigung spezialisiert, sondern auf Bereiche, in denen extreme Performance, Qualität und Individualisierung gefragt sind. Also beispielsweise in den Themenfeldern Prototyping für Automobilfirmen, Luft- und Raumfahrttechnik, Rennsport oder patientenspezifische Sonderimplantate im Bereich der Medizin.
Auch für den Bahn- und Schienenverkehr macht Additive Fertigung Sinn. Denn viele Züge sind jahrzehntelang im Dauerbetrieb. Für ältere Modelle wird die Ersatzteilversorgung schwierig. Eine bedarfsorientierte Herstellung von Austauschteilen erspart eine kostenintensive Lagerhaltung.
Produziert werden bei der FIT AG Unikate oder Teile in kleinen Stückzahlen. „Wir unterstützen unsere Kunden bei besonderen Herausforderungen”, beschreibt Carl Fruth die DNA seines Unternehmens. Und wenn man mit ihm durch die drei Firmenhallen mit über 10.000 Quadratmetern Fertigungsfläche geht, fallen öfter die Wörter „Weltmarktführer“ oder „Alleinstellungsmerkmal“.
So verfügt das Oberpfälzer Unternehmen etwa über die weltweit größte Produktion von 3D-Aluminiumbauteilen. Über 400.000 individualisierte Teile werden jährlich für über 600 Kunden weltweit gefertigt. Und das in zehn verschiedenen Techniken (siehe Kasten), die bei Bedarf auch durch konventionelle Fertigungstechniken ergänzt werden. Viele der über 60 Additive-Manufacturing-Maschinen, die mitunter mehrere Millionen kosten, sind für die speziellen Bedürfnisse des Unternehmens maßgefertigt.
Gegen die drei Fertigungshallen, in denen einige Mitarbeiter eine Art Raumanzug und spezielle Masken mit eingebautem Ventilator tragen, sieht das Forschungslabor von Q in den James-Bond-Filmen buchstäblich alt aus. Die technischen Daten der Maschinen, denen man zum Teil durch ein Sichtfenster beim Arbeiten zusehen kann, sind beeindruckend. So wird beispielsweise beim Elektronenstrahlschmelzen eine Temperatur von 2.500 Grad Celsius erreicht, was fast der Hälfte der Temperatur an der Sonnenoberfläche entspricht. Und die heißisostatische Presse zur Verdichtung und Wärmebehandlung von Metall- und Keramikkomponenten kann einen Druck von 2.070 Bar erzeugen. Nur zu Erinnerung, ein Autoreifen ist mit 2,5 Bar prall gefüllt.
Ein Großteil der Fertigung ist für Besucher jedoch nicht zugänglich, denn insbesondere Kundenteile unterliegen strenger Geheimhaltung. Kein Wunder, handelt es sich dabei doch in der Regel um den neuesten Stand der Produktentwicklung. Bis zu zwölf Forschungsobjekte laufen im Unternehmen parallel, viele davon streng geheim. 2020 beteiligte sich auch die LfA mit einem Förderdarlehen von 5,6 Millionen Euro an der Finanzierung eines dieser wissenschaftlichen Projekte. Es geht dabei um ein neuartiges additives Fertigungsverfahren zur Herstellung sehr großer Bauteile mit bis zu 4,8 Metern Diagonale und erheblichem CO2-Einsparpotenzial. Zielmärkte für diese Bauteile sind Architektur und Bauindustrie.
Und damit sind wir auch schon in Halle 3. Denn während Halle 1 dem Aufbau von Kunststoffteilen gewidmet ist und Halle 2 der additiven Fertigung von Metallelementen, befinden wir uns hier in einem Labor der Zukunft.
Neben einem Arbeitsbereich, in dem mit dem zementähnlichen Material Econit experimentiert wird, gibt es das Highlight des Unternehmens: den Robotspace. Hier werden Roboter verschiedener Größe mit Daten gefüttert, um dann eigenständig Teile in 3D-Technik aufbauen zu können. Auch die Programmierung eines Roboters, mit dem der Künstler Peter Lang unlängst im Sprengel Museum Hannover vor den Besuchern eine Großskulptur im 3D-DruckVerfahren aus pigmentgefärbtem Holzkunststoff schuf, erfolgte im Robotspace der FIT AG.
Was die Frage nahelegt, wie es Carl Fruth gelingt, extrem hoch qualifizierte Mitarbeiter in das 2.500-Einwohner-Örtchen in der westlichen Oberpfalz zu locken.
„Die Gegend ist wunderschön, die Lebensqualität hoch und die Oberpfälzer sind sehr herzliche Menschen“, sagt der Firmenchef. Und lächelt. Was er häufig tut. Humor und Gelassenheit sind wichtige Bausteine der Firmenkultur.
Carl Fruths Personalstrategie ist es, junge Arbeitskräfte zu verpflichten, die seiner Erfahrung nach flexibler sind. Er lockt aber auch Wochenendpendler aus den umliegenden Metropolen. Dafür hat er 2019 ein Boarding House mit 48 Zimmern neben dem Verwaltungsturm plus Basketballplatz gebaut.
Natürlich ist auch dieses Gebäude, ein puristischer Kubus mit tiefschwarzer Fassade, ein architektonisches Juwel. Kanzler Helmut Schmidt wird das Zitat zugeschrieben: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Für Carl Fruth gilt dagegen: „Wer keine Visionen hat, kann sich bald den Arzt nicht mehr leisten.” Denn das Überleben des Wirtschaftsstandorts Bayern ist eng damit verknüpft, in die Zukunft zu schauen und innovative Lösungen zu finden. Antworten auf Fragen zu geben, die noch gar nicht gestellt worden sind.
Und mit KI steht eine neue technische Revolution bevor. „Künstliche Intelligenz wird in Zukunft immer besser funktionieren“, sagt der Firmenchef, „man kann damit wirklich algorithmisch äußerst interessante Lösungen finden.“
Eines gibt es also bei der FIT AG nicht: Stillstand. So wechselt sogar die Fassade des Verwaltungsgebäudes, die mit speziellen anodisierten Faltblechen verkleidet ist, witterungsabhängig die Farbe. Von Grün-Blau bis Rötlich reicht das Spektrum. An manchen Tagen leuchtet der Bau sogar im Goldton. Eine goldene Trutzburg, auch das ist weltweit einzigartig.