Menschen
FAKTEN
Finanzierung: Startkredit mit Haftungsfreistellung
Gründungsjahr: 1912
Standort: Kempten
Geschäftsfeld: Steinmetzhandwerk
Mitarbeiter: 8
↳ www.stein-kempten.de
Fotos: Sabrina Schindzielorz
Text: Stefan Ruzas
Auf diesen Steinmetz können Sie bauen
Grabsteine sterben langsam aus. Trotzdem hat ein junger Kemptner mit Erfolg einen Steinmetzbetrieb übernommen. Wie macht er das nur?
Richtet man im Wiener Stephansdom den Blick gen Himmel, ganz egal, ob drinnen oder draußen, bekommt man einen ersten Eindruck vom Talent des Daniel Probst.
Als Steinmetz hat er bei der Restaurierung eines Ornamentes am Chor auf der Südseite geholfen, dazu an der Kanzel des Bildhauers Anton Pilgram. Zudem machte er am Turm auf 110 Metern Höhe bei der Erneuerung eines 30 Meter hohen Fialen-Türmchens mit.
Man kann aber auch TV Allgäu einschalten, wo der 39-Jährige alle sechs Wochen den „Sporttalk“ moderiert, eine launige Gesprächsrunde mit Sportlern aus der Region, darunter Weltmeister und Olympiasieger.
Oder sich auf die Suche nach alten Aufnahmen seiner Band Caféhaus machen, mit der er als Sänger immerhin schon mal im Vorprogramm der Hip-Hop-Stars von Deichkind aufgetreten ist. Den Plattenvertrag tief in der Tasche.
Natürlich könnte man ihn auch im Kempter Wald suchen. Dort joggt der Ausdauersportler Woche für Woche zwischen 40 und 60 Kilometer, während er mit seiner Apple-Watch jeden einzelnen Schritt misst.
Oder man fährt einfach mal in den Kemptener Ortsteil Lenzfried, gleich neben das ehemalige Kloster, wo doch seit 1912 dieser Steinmetzbetrieb ist. Hier sitzt er mit einem Kaffeebecher an seinem blank geputzten, weißen Schreibtisch, der talentierte Mr. Probst, und schaut wieder mal auf seine Apple-Watch. Die zeigt nämlich nicht nur Schritte an, sondern auch Mails und Anrufe.
Und davon gibt es bei Probst jede Menge, seit er Anfang 2016 „Grabmale Schlienz“ übernommen und in „Steinmetzwerkstatt Schlienz“ umgetauft hat. Im Juli dieses Jahres waren die Auftragsbücher seines Betriebs schon bis Ende 2017 voll. Ausgebucht. Bis auf dringende Ausnahmefälle natürlich.
Probst macht so einiges anders als sein Vorgänger, der aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig verkaufen musste. Dessen Namen hat er trotzdem erst mal behalten. Schließlich gibt es in Kempten noch einen weiteren Steinmetz namens Probst. Auch die drei Lager seines Vorgängers mit den 200 Modellsteinen hat er übernommen, die aber eher stehen als gehen.
Natürlich entwirft der Jungunternehmer auch weiterhin mit viel Hingabe Grabmäler. Hat er ja schon gemeinsam mit Vater und Bruder mehr als 15 Jahre lang im elterlichen Betrieb in Füssen gemacht – in vierter Generation.
Probst kann beidhändig zeichnen, und er bringt etwas mit, was er „Steingefühl“ nennt: „Ich habe einen gestalterischen und künstlerischen Anspruch und nicht den der Friedhof-Industrie. Ich arbeite nicht aus dem Katalog, sondern entwickle aus den Persönlichkeiten heraus Grabmäler.“
In seinem Skizzenbuch sammelt er Entwürfe, die meist schon während der ersten Telefonate mit den trauernden Kunden entstehen. Dann, im persönlichen Gespräch, folgt auf Packpapier eine originalgetreue Zeichnung samt Schriften. „Der Friedhof verändert sich“, sagt Probst. „Die Familien sind nicht mehr so groß, der Glaube auch nicht, die Nachfrage nach Grabsteinen sinkt. Dafür werden anonyme Bestattungen und bescheidene Gräber und Särge immer wichtiger.“
Diejenigen, die sich trotzdem für einen Grabstein entscheiden, bekommen von Probst auf Wunsch „einen anderen Blickwinkel und echte Gegenwartsarbeit“. Am liebsten arbeiten er und seine acht Mitarbeiter – darunter zwei weitere Steinmetze, die wie er von der Freiburger Meisterschule kommen – mit regionalen Steinen. Dem Grüntenstein zum Beispiel, ein grauer Sandstein. Oder mit Naturfelsen aus dem Bayerischen Wald, aus Frankreich, der Schweiz oder Südtirol. 40 Tonnen Stein bewegt seine Werkstatt jedes Jahr.
Die Haltung des Steineflüsterers: „Je weniger du den Stein veränderst, umso größer werden die Aussage und das Empfinden. Die einzelnen Handwerksschritte, all die Bohrlöcher, Sägeschnitte oder unbehandelten Oberflächen, dürfen ruhig auch mal sichtbar bleiben.“
Je nach Aufwand arbeiten seine Kollegen und er zwischen einer Woche und drei Monaten an einem Grabmal. Im Durchschnitt sind es sechs Wochen zu Kosten, die zwischen 2.000 und 3.000 Euro liegen, aber auch mal auf 8.000 Euro steigen können.
Trotzdem sei die Resonanz manchmal fast überwältigend, so Probst: „Einige Kunden hätten nie gedacht, dass sie sich mal auf einen Grabstein freuen würden.“
Die Übernahme der Steinmetzerei kam auf Empfehlung von Kollegen zustande. Ein erstes Telefonat mit dem Vorbesitzer Klaus Schlienz im Juli 2015, ein erstes Treffen, eine erste offene Unterhaltung. „Die Preisvorstellungen bei solch einer Übergabe sind halt zu Beginn sehr unterschiedlich“, erzählt Probst und schmunzelt.
Drei Verhandlungsrunden und sechs Monate hat es gedauert, geplatzte Notartermine inklusive. Probst: „Auch bei den Banken herrscht ja nicht gerade pure Vorfreude, wenn es darum geht, ein Handwerksunternehmen, noch dazu in die Jahre gekommen, zu übernehmen. Da braucht man schon eine genaue Vorstellung, was man vorhat.“
Und die hatte der zweifache Vater Probst, dessen Lebensgefährtin studierte Betriebswirtin und ebenfalls selbstständig ist. Der Allgäuer entwickelte mit einem Unternehmensberater seines Vertrauens einen fundierten, taggenauen Businessplan. Später kamen dann auch die Raiffeisenbank und mit ihr die Förderberater der LfA dazu.
Seine Idee: Neben den Grabmälern möglichst schnell Arbeiten als Restaurator an Land ziehen, dazu Aufträge für Kunst im öffentlichen Raum sowie Einrichtungsjobs in privaten Neu- und Altbauten. Und natürlich die regelmäßigen Mieteinnahmen aus dem Geschäfts- und Wohnhaus in Lenzfried.
Außerdem wichtig: eine professionelle Buchhaltung mit einer vernünftigen EDV, ein zeitgemäßer digitaler Auftritt und gute Erreichbarkeit per Telefon oder Mail: „Wir sind ehrgeizig, wir wollen den Markt anders präsentieren, und wir stehen zu den Steinen und zu unserer Arbeit.“
Nach anderthalb Jahren zieht der Jungunternehmer eine erste Zwischenbilanz: Die Grabmäler machen nur noch 60 Prozent des Geschäftes aus, der Gesamtumsatz aber hat sich schon jetzt verdoppelt. „Es hat sich alles bewahrheitet, was wir anfangs auf die Website geschrieben haben. Genauso ist es gekommen, und ich habe noch dazu eine gewisse Freiheit.“
Wobei nicht immer klar war, ob die Übernahme auch wirklich gutgehen würde. Das Geschäft war davor sehr statisch, Tendenz eher fallend. Und mehr als 600 Euro Startkapital konnte der junge Wilde aus Kempten nicht aufbringen. Aber dafür hat er viele Talente.
Daniel Probst – Steinmetzwerkstatt Schlienz
Mehr zur Arbeit von Daniel Probst erfahren Sie im Video.
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