Kunstkalender 2016 – Kalenderblatt Januar
Der "Alpenweg" dagegen feiert die Schönheit einer Schöpfung, die ohne Licht vergehen würde. Die Glasquader sind nicht durchgefärbt, sondern bestehen aus Schichten von optischem Spezialglas, zwischen denen hauchdünn Farbe aufgetragen wurde. Die Scheiben wurden in mühevoller Arbeit poliert, um höchste Transparenz zu erzielen. Deshalb leuchten sie unvergleichlich und werfen besonders helle, bunte Schatten. Das Verfahren wurzelt letztlich in der Malerei, die Umsetzung erinnert an abstrakte Skulpturen. Licht jedoch ist auch emotional und erzeugt Stimmungen. Der Titel "Alpenweg" benennt ein konkretes Naturerlebnis. "Die Farben sind Berge, Blumen, Bäume...", erklärt Bongchull Shin, der in einer Gärtnerei aufwuchs und eine große Liebe zu bunten Gewächsen mitbringt. Und er verrät, dass die Anordnung der Farben beim "Alpenweg" kein Zufall ist, sondern sich auf ein Gemälde gleichen Titels von Ernst Ludwig Kirchner bezieht. Der "Farbenmensch", wie Kirchner sich selbst nannte, hat seine Naturerlebnisse in den Schweizer Bergen seit 1918 in expressive Malerei umgesetzt, aus der Shin nun seine eigene Lichtabstraktion destilliert.
Text: Jochen Meister