Unternehmen
FAKTEN
Finanzierung: Startkredit mit Haftungsfreistellung
Gründungsjahr: 1978
Standort: Taufkirchen
Geschäftsfeld: Rührtechnik
Mitarbeiter: ca. 20
↳ www.tmr-ruehrtechnik.de
Fotos: Conny Mirbach
Text: Stefan Ruzas
Eine rührende Geschichte
Fast zehn Jahre lang war er Produktionsleiter des Anlagenbauers TMR, ein Management-Buyout machte Gunnar Prehn Anfang 2017 zum alleinigen Inhaber
Jeden Morgen steht Gunnar Prehn um 5.30 Uhr auf, hat exakt eine Stunde Zeit für sich und das neue „Handelsblatt“, weckt dann Frau, Sohn und Hund und sitzt pünktlich um 7.15 Uhr im Büro. Meist fährt er die 1,9 Kilometer von seinem Haus in die Bergstraße 6 in Taufkirchen bei München mit dem Fahrrad, einem schlichten City-Bike.
Verlässlichkeit ist dem gebürtigen Thüringer wichtig, das hat er von seinem Großvater gelernt. Einige Angestellte des Anlagenbauers TMR kennt Prehn schon mehr als 20 Jahre, von seinem vorherigen Arbeitgeber. „Die lasse ich niemals im Stich“, sagt Prehn.
Seit Anfang 2017 steht auf seiner Visitenkarte „Geschäftsführer/ CEO“. Der Werkzeugmacher, der 2008 als Produktionsleiter zu TMR kam und später auch Prokura erhielt, ist dort seit dem 1. Januar alleiniger Inhaber. Nach einem mutigen und trotzdem logischen Management-Buyout.
Wobei seine GmbH & Co. KG nicht irgendeine ist, auch wenn sie in einem umgebauten Bauernhof produziert. Maßgeschneiderte Rührtechnik für rund 3.000 aktive Kunden baut sie, darunter sind illustre Namen wie BASF, Audi, Daimler, VW, Boehringer Ingelheim, Bayer, E.ON, RWE oder Coca-Cola. Geliefert wird weltweit in fast 70 Länder. Ein echter „hidden champion“ also.
Jährlich stellt TMR rund 1.000 dieser elektrisch betriebenen Maschinen her, mal kleine für Krankenhäuser, mal haushohe Kaskaden zur Zuckerproduktion in Ägypten. Die normale Bedienungsanleitung dazu mit immerhin 57 Seiten gibt es als Standardversion in zehn Sprachen, Sonderausführungen, etwa in Mandarin, werden in kurzer Zeit angefertigt.
Gerührt wird mit den Rührwerken von TMR alles, was flüssig ist: Medizin, Lebensmittel, Farben oder Abwasser bis zu einer Viskosität von 100.000 Millipascalsekunden. So jedenfalls lautet die passende Maßeinheit im Fachsprech.
„Was wir hier machen, ist einzigartig”, erzählt der 47-Jährige. „Wir sind unternehmergeführt, um einiges kleiner als der kleinste unserer Konkurrenten in Deutschland und als Premium- Anbieter trotzdem oft der teuerste. Aber wenn’s sein muss, liefern wir eben auch binnen 24 Stunden und nicht erst in zwölf bis 16 Wochen.“
Dank einer klugen Baukasten-Bevorratung, die von Stahl über Gummierung bis Polymer-Beschichtung sage und schreibe mehr als 1.000 Werkstoff-Kombinationen möglich macht. Damit die rührenden Daten der Aufträge auch wirklich sicher sind, steht im Keller ein eigener, sehr teurer Server.
Prehn, der immer noch erstaunlich viele Auftragsnummern auswendig kennt, ist für die technisch-operative Geschäftsführung zuständig, seine Frau Doreen für die kaufmännische.
Einfach war die Übernahme von TMR für die beiden nicht gerade. Schon vor drei Jahren kam der langjährige Vorbesitzer der 1978 gegründeten Firma mit der Idee, Prehn solle doch einsteigen, allerdings verbunden mit dem Vorschlag, dass weitere Gesellschafter dabei sind. Der Sohn des Vorbesitzers hatte andere Pläne, als Nachfolger zu werden.
Nachdem Prehn ablehnte, war erst mal Funkstille. Anfang 2016 wiederum hatte Prehn die Vermutung, dass TMR längst an einen Konkurrenten verkauft war. „Ich wollte das für meine eigene Lebensplanung einfach wissen, also habe ich den Chef gefragt“, erinnert sich Prehn. Aus der Frage wurde ein weiteres kurzes, aber hitziges Verkaufsgespräch.
Nach einigem Hin und Her begann der gemeinsame Steuerberater zu vermitteln. Die Rosenheimer Hausbank von TMR wurde hinzugezogen und anschließend auch die LfA. Am 19. Dezember 2016 konnte Prehn sein Übernahmekonzept endlich in großer Runde präsentieren, wenige Tage später gab die LfA ihre Zustimmung für eine Haftungsfreistellung, am 29. Dezember dann der Termin beim Notar. Ab dem 1. Januar 2017 um 0.01 Uhr war Prehn tatsächlich neuer Inhaber seines langjährigen Arbeitgebers.
„Warum ich das mache? Jedenfalls primär nicht wegen des Geldes oder damit ich endlich eine eigene Firma habe“, sagt Prehn. „Die Sorgen sind größer, und ich habe im ersten Halbjahr bis auf einen Kurzurlaub sieben Tage die Woche gearbeitet. Aber ich finde einfach genial, was wir hier mit tollen Kollegen machen, und ich konnte das nicht in Rauch aufgehen lassen. Das wäre den Leuten gegenüber unerträglich.“
So ist er, der Gunnar Prehn. Ein Mann mit moralischen Ansprüchen. Einer, der immer noch so begeisterungsfähig und engagiert wirkt wie zu seinen Zeiten als treuer Fußball-Fan von Manchester United. Jahrelang war er sogar Mitglied der „Red Devils“ und flog dorthin, wo sie spielten. Weil auf ihn eben Verlass ist.
Als neuer Chef macht er auch deswegen so manches anders, persönlicher und wertschätzender: Zum Geburtstag bekommt jeder Mitarbeiter eine Karte mit einem Gutschein. Er informiert die TMR-Belegschaft regelmäßig über die Auftragslage und schüttet ab einer bestimmten Umsatzgröße Boni aus.
„Das Loslassen von der Firma hat mein Vorgänger unterschätzt“, resümiert Prehn heute. „Der Übergang war nicht ganz einfach und emotional. Wir haben aber bis heute immer noch guten Kontakt.“