Projekte
FAKTEN
Finanzierung: Gründerbeteiligung (BayBG)
Gründungsjahr: 2003
Standort: Starnberg
Geschäftsfeld: Umwelttechnik
Mitarbeiter: ca. 20
↳ www.econindustries.com
Text: Stefan Ruzas
Fotos: Econ Industries
Aus dem Trockenen
Mit Hilfe eines Vakuumverfahrens reinigt die Starnberger Econ Industries weltweit Bohrschlämme und kontaminierte Böden
Plötzlich standen sie da, die Herrschaften aus Aserbaidschan. Die Gesandten des staatlichen Energiekonzerns SOCAR mit Sitz in Baku erkundigten sich bereits 2012 zum ersten Mal, was genau Econ Industries eigentlich macht. Am Messestand des Starnberger Unternehmens war das, erinnert sich Econ Industries-Managerin Stephanie Gundlage, auf einer Fachmesse für Umwelttechnologien in München. Vier Jahre später, im September 2016, wurde sie dann vom aserbaidschanischen SOCAR-Präsidenten Rovnag Abdullayev eingeweiht: die weltweit größte Anlage zum Reinigen von Bohrschlamm, geliefert und aufgebaut von Econ Industries.
Bis zu 100.000 Tonnen Schlamm aus der Öl- und Gasförderung kann die Anlage jährlich verarbeiten, berichtet Econ-Industries-Gründer Reinhard Schmidt. Zehn Mal so viel wie der vorherige Rekordhalter in Nordengland. Und das Gute ist: Pro Jahr können dabei mehr als 16.000 Tonnen Hochleistungsbohröl wiedergewonnen werden, das direkt verwendet wird. 13 Millionen Euro hat die Anlage insgesamt gekostet. Die mehr als 600 Tonnen Stahlbau und Maschinentechnik wurden Anfang 2016 in 48 Containern per Schiff und per Lkw ins etwa 4.000 Kilometer entfernte Baku am Kaspischen Meer transportiert.
Konzipiert wurde das alles in der Zentrale am Schiffbauerweg im Starnberger Ortsteil Percha. 20 Ingenieure, Dokumentare und Rechtsexperten sitzen dort. Die Idee von Reinhard Schmidt und seiner Frau Stephanie Gundlage beim Start der Firma im Jahr 2003: „Wir wollen mit Econ Industries den Bereich der Sonderabfälle revolutionieren und wirklich schlüsselfertige Anlagen liefern. Das heißt: Sie werden hier in Deutschland als Baukasten komplett vorproduziert. Unsere Ware ist also kein Puzzle aus 1.000 Teilen, sondern ein Plug-and-Play-System mit möglichst leichter Bedienbarkeit und kurzen Aufbauzeiten.“
Der Unterschied zu anderen Verfahren, so Gundlage weiter: „Wir verbrennen, vernichten oder vermischen nicht, sondern separieren die Rohstoffe so, dass die vorher kontaminierten Erdanteile danach sogar straßenbaufähig sind. Unsere Vision lautet ‚zero industrial waste’. Das gelingt uns schon jetzt zu 98 Prozent.“
Wie genau diese Entsorgung funktioniert? „Eigentlich ist Vakuumtrocknung ja ein alter Hut. Wir haben die auch nicht erfunden. Aber wir gehen mit unserer Technologie namens VacuDry in extrem hohe Temperaturen von mehr als 400 Grad.“ Mit Hilfe des Vakuums werden dann die Siedetemperaturen der Schadstoffe gesenkt und so die Behandlung in einem komplett gekapselten Prozess ermöglicht. Schadstoffe wie Quecksilber oder Kohlenwasserstoffe werden bei der Vakuumdestillation durch das Verdampfen nahezu vollständig abgetrennt und anschließend als Flüssigkeit auskondensiert.
Beim ersten Projekt im Jahr 2005 ging es dann auch gleich um eine Ölservice-Firma in Kuwait, die als erste überhaupt die Ölabfälle an Bohrlöchern aufbereiten wollte. „In Deutschland wird belasteter Bohrschlamm leider immer noch auf Deponien endgelagert oder unter immensem Energieaufwand in Drehrohröfen bei hohen Temperaturen thermisch verwertet“, so Econ-Industries-Chef Schmidt.
„Andere Staaten wie Aserbaidschan oder Australien denken längst viel weiter. Im australischen Bundesstaat Victoria zum Beispiel haben eine Strafsteuer für die Deponierung von Sonderabfällen und eine vom Gesetzgeber veranlasste Verknappung der Deponiefläche dafür gesorgt, dass umweltfreundliche Verfahren wie unsere Vakuumdestillation auch eine wirtschaftliche Alternative darstellen.“ Während Econ Industries im kommenden Jahr in Australien bereits eine zweite Anlage in Betrieb bringt und selbst aus Ländern wie Turkmenistan Anfragen kommen, würden in Deutschland Sondermüll-Deponien vom Gesetzgeber immer noch völlig anders bewertet, „obwohl sie durch immensen Flächenverbrauch, mögliche Ausgasung oder Unfallrisiken beim Transport auch hierzulande ökologisch sehr bedenklich sind“.
Zurzeit stehen vier VacuDry-Anlagen in Deutschland, unter anderem in Bitterfeld, Leipzig und im Ruhrgebiet. Der Bedarf indes ist riesig: Wie Recherchen von NDR und WDR zeigten, müssten in Deutschland mehr als 1.000 Bohrlöcher dringend gereinigt und aufbereitet werden. Ein beispielhafter Zwischenstand: Aus der „Grube Erika“ im niedersächsischen Geeste wurden 200.000 Tonnen Bohrschlamm mit 8.000 Lkw-Fahrten entsorgt – allerdings nur auf eine Sondermüll-Deponie in Schermbeck in Nordrhein-Westfalen.
Für die Produktion der Reinigungsanlagen arbeitet das Umwelttechnik-Unternehmen Econ Industries insgesamt mit 15 verschiedenen Maschinenbaufirmen in Deutschland und Österreich zusammen, vier davon sind in Bayern. „Für jedes Thema, von Pumpen bis Stahlbau, gibt es einen Problemlöser, und wir arbeiten wirklich mit den Besten zusammen und verwalten mit unserem Schnittstellenmanagement das gesamte Verfahren“, erklärt Gundlage und betont: „Nicht das Patent der zweistufigen Aufbereitung repräsentiert das Know-how unserer Firma, sondern die zufriedenen Kunden.“
Je nach Größe der Anlage betrage die Lieferzeit zwischen sechs und zwölf Monate und der Aufbau vor Ort zwischen drei und fünf Monate. Gundlage: „Wir lassen den Kunden mit der Maschine nicht alleine und begleiten ihn auf Wunsch bei der Genehmigungsbehörde ebenso wie beim Support während des Betriebs.
Weil es von Anfang an um die Absicherung von hohen Investitionen ging, kam bereits in einer frühen Phase die LfA ins Spiel, in Form einer Gründerbeteiligung durch die BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft mbH, ein Unternehmen der LfA-Gruppe, im Jahr 2008. „Diese Stärkung des Kapitals hat uns ein besseres Rating ermöglicht", so Gundlage. „Erst dadurch können wir solch große Anlagen finanzieren. Wir haben bei der LfA regelrecht Sparringspartner, die uns sehr gut beraten und uns auch für neue Länder Hinweise und Tipps geben. Die LfA ist als stiller Gesellschafter ein angenehmer Kapitalpartner." Auch Reinhard Schmidt und Stephanie Gundlage sind ein eingespieltes Team. Nicht nur, weil sie verheiratet sind und zusammen arbeiten, sondern auch weil sie beide dieselbe Passion haben: Die Münsteranerin und der Recklinghäuser haben sich beim Sportsegeln kennengelernt.